Gestern war ich über 20 km im Spessart Nordic-Walken, und ich möchte hier meinen Erfahrungsbericht mit euch teilen. Die Fakten:
- Ich laufe ungern und selten längere Strecken.
- Ich mache fast nie Nordic Walking.
- Meine Barfuss-Schuhe trug ich bisher nur kurz bzw. auf dem Fahrrad.
Kurzer Rückblick zum besseren Verständnis:
Sonntag vor einer Woche ‚überredete‘ mich mein Mann zu einem „kleinen Spaziergang“ im Spessart, um mir ein paar schöne Stellen zu zeigen. Er ist Heilpraktiker und Heiler und ein sehr spiritueller, extrem naturverbundener Mensch, der unglaublich viel Kraft aus der Natur schöpft und buchstäblich das Gras wachsen hört. So macht er u.A. auch Waldspaziergänge mit Patienten zu Therapie- und Coachingzwecken (s. Podcast „Healing your heart and body with the power of the forest„: International Society for Nature and Forest Medicine). Japanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass eine Stunde „Waldbaden“ u. A. gut gegen Krebs sei, Blutdruck und Puls senke und beruhigend bei Stress wirke. Die Aktivität der natürlichen Killerzellen soll sich bei einer Stunde Aufenthalt im Wald pro Tag um bis zu 400 % steigern.
Nun, ich laufe überhaupt nicht gerne, schon gar nicht längere Strecken, aber die Aussicht auf einen kühlen Wald bei erwarteten 35 Grad überzeugte mich dann recht schnell. Ich zog also mein luftigstes Sommerkleid an, schnappte mir meinen Strohhut und schlüpfte in meine Lieblingsschuhe: Gummi-Flipflops von Aldi (ein unkaputtbarer Traum zum Laufen!!)! Die konnte ich schnell ausziehen zum Barfusslaufen, was ich im Sommer sehr gerne und sehr oft tue. So der Plan.
Kommen wir direkt zum Fazit: Wir liefen 23,3! km!! (gut, dass ich das nicht vorher wusste!). Start war um 13:00 Uhr, Ende 19.30 Uhr inkl. zweimal Einkehren. Nach der zweiten Einkehr machte ich 10 Min. Wildgans Qigong Typ 1. Sicher ist sicher, dachte ich. Danach waren Körper und Beine energetisiert, ich war nicht mehr so müde und es lief sich deutlich beschwingter. Der ganze „Spaziergang“ war kräftemäßig und in Anbetracht der Schuhsituation und Strecke insgesamt mehr als OK. Die Barfussanteile fielen zu meinem Bedauern zwar recht gering aus, obwohl wir viele Trampelpfade querfeldein liefen, aber es gab doch auch ziemlich viele Schotterwege und auch steinige und steile Strecken bergauf. Soweit, so gut.
Mit diesem Tag im Hinterkopf brauchte es nicht allzu lange, um mich gestern zu einem zweiten „Spaziergang“ zu überreden. Der Wald im Naturwaldreservat Hoher Knuck ist wirklich schön, riecht dank vieler Nadelbäume gut, die Einkehrmöglichkeiten sind urig-schlicht und die Wirtsleute herzlich-nett, das Essen günstig, die Kuchenstücke groß. 🙂 Dieses Mal wollte ich „ordentliche“, feste Schuhe anziehen (23km! Holzauge sein wachsam!), um besser durch die Abkürzungen zu kommen. :-)) Aber aufs Barfußlaufen wollte ich auch nicht ganz verzichten, denn die ‚Erdung‘ tut mir gut. So zog ich meine Barfuss-Schuhe an, die ich mir vor zwei Jahren kaufte, um sie für Qigong zu testen. Die Schuhe habe ich selbst gekauft, d.h. sie wurden mir nicht von Vivobarefoot gespendet. Dies ist also keine Werbung für den Schuhhersteller, zumal ich die von Leguano auch noch auf der Liste habe. 😉 (Tipps an der Stelle sind herzlich willkommen!)
Um es vorweg zu nehmen: Es.war.eine.Qual. Wir sind dieses Mal etwas anders gestartet, und zwar vom Gasthaus „Hoher Knuck“ in der Lichtenau. Die ersten 500 m waren ok. Dann folgten für eine sehr lange Strecke ziemlich qualvolle, steinige Schotterwege, bei denen ich dank der hauchdünnen Sohle (ich hatte die mitgelieferte dünne Einlegesohle beim Kauf schon herausgenommen) bei jedem Schritt in den Genuss einer … äh … äußerst *anregenden* Fußmassage kam. Dass die Sohle so barfüssig sich anfühlt, hatte ich nicht in Erinnerung. 🙁 Mit den Walkingstöcken konnte ich zwar ein wenig Druck abfedern, aber dadurch spürte ich nicht, wie stark ich mit der Ferse aufsetzte. Dazu weiter unten mehr.
Für Entspannung in doppeltem Sinne sorgten meine recht häufigen Landschaftsbewässerungspausen. Die Nieren liefen dank der schrittweisen Anregung wie geschmiert, schließlich liegen gleich zwei wichtige Energiepunkte – Nierenmeridian Ni1 und ein Extrapunkt – auf Fußballen und Ferse. Den Hinweg hatten wir in gut zwei statt der (angegebenen) 2,5 Stunden geschafft. Nich schlecht. Die Woche davor brauchten wir fast immer doppelt so lang wie angegeben. Am Ende des Hinweges (13km) bei der Einkehrstation Sylvan (der mit den großen Kuchenstücken) angekommen, brannten meine untrainierten Füße wie Hölle. So vergaß ich meinen ursprünglichen Vorsatz, vor dem Rückweg Qigong zu machen. Ein Fehler, aber die Beine waren einfach zu schwer. Dafür war die Strecke wunderschön im Fürstlich Löwensteinschen Park. 🙂
Tipp 1: Partner mitnehmen, der dich auf die schönen Dingen aufmerksam macht, während du mit den Steinen vor den Füßen kämpfst.
Tipp 2: Diese Schuhe *ermöglichen* dir ein meditativ-konzentriertes Laufen. (Du bist ausschließlich auf die 50 cm vor deinen Füßen fokussiert, um die ganz spitzen, fiesen Steine zu vermeiden.)
Rückweg: stich- und nachhaltig
Da wir nicht den selben Weg zurücklaufen wollten, wählten wir eine andere und (angeblich) sogar etwas kürzere Route. Die Abwechslung folgte wieder mal auf dem Fuße. Der Schotterweg (auch wieder erst später zu sehen) bestand diesmal aus spitzen und noch viel größeren Steinen. Ich schätze mal in Eiergröße: M-L. Doch bevor ich mich ins ausgiebige Fluchen steigern konnte, kam eine *fröhliche*, nette Wespe vorbei und stach mich in den Oberarm Innenseite. Aaaautsch. Fortan (also wenigstens für die nächsten 30-45 Minuten) vergass ich meine schmerzenden Füße. Was für eine nette Geste dieses kleinen Insektenwesens…
Mein Hund Bella und alle barpfotigen Hunde dieser Welt genießen seitdem meinen allerhöchsten Respekt. Apropos Hund: Der Bereich, der Fürst Löwenstein gehört ist eingezäunt. Es gibt ganz nette Übergänge, die mich teilweise an meine Ferien in Bosnien bei der Verwandschaft erinnerten: über eine kleine Holzleiter über den Zaun klettern. Die zweite Löwensteinsche Variante sind breite Tore, die auch zur Durchfahrt gedacht sind und auf einem breiten „Gitter“ bestehend aus einer Eisenkonstruktion mit schmalen Stäben stehen, damit die Wildtiere dort nicht abhauen. Auch für andere Vierbeiner eine echte Herausforderung, für Ängstliche eher schwierig! Die dritte Variante ist eine Steigkonstruktion, die man seitlich zum Zaun hoch und seitlich wieder runter klettert. Für Vierbeine keine Chance! Wir mussten die 25kg schwere Bella drüber heben. Alleine mit großem Hund hat man da ein echtes Problem!
Landkarten zum Rauchen
Langeweile war eh nicht so das Thema, aber ich wollte noch erwähnen, dass man Google Maps (weniger) und Papier-Wanderkarten (viel besser) getrost in der Pfeife rauchen kann. Denn die dort eingezeichneten Wege gibt es sehr oft gar nicht (mehr), dafür andere an Stellen, wo man natürlich nicht weiß, wo der Weg hinführt. Und die Streckenangaben stimmen oft auch nicht. *seufz* Erfahrene (Spessart-)Wanderer wissen das angeblich schon.
Qigong während des Laufens
So wurde aus unserem „kürzeren“ Rückweg mit Shortcut eine never ending, an die Grenzen der Fußsohlen reichende Wanderung. Denn wieder einmal war ein eingezeichneter Weg (die ersehnte Abkürzung!) verschwunden, und wir mussten stattdessen einen langen Weg nehmen – zur Abwechslung mal auf …? Genau: Schotter! Diesen nutzte ich, um im Gedanken Qigong zu üben. Das half, ich fühlte mich eine zeitlang mit frischer Energie durchflutet und etwas leichtfüßiger. Leider kam ich beim Visualisieren mit den Bewegungen und Schritten im Kopf und meinen im Rhythmus laufenden Füßen und Stöcken in Konflikt, so dass ich mir hin und wieder einen Stock gegen den Knöchel schlug oder alternativ darüber stolperte. Ich beließ es deshalb bei 10 Min. und Wildgans Typ 1. Note to myself: Nicht mit allen Sticks kann man mehrere Rhythmen schlagen. Ich muss auch kein Schlagzeuger mehr werden.
Auf den letzten 500 Metern dachte ich an die Marathonläufer und Ironmänner dieser Welt und daran, dass sie jetzt noch nicht mal die Hälfte der Strecke hinter sich hatten. Mein Neid hielt sich in Grenzen, denn ich habe keinerlei Absicht ein Marathonläufer, Triathlet oder gar Ironwoman zu werden, aber ich vermeide hier das Wort „nie“ in Anbetracht der vielen Glaubenssätze, die ich in den letzten Jahren schon zur eigenen Überraschung über den Haufen geworfen habe…
Am Ziel angekommen taten mir die Füße, Fußgelenke, Achillesfersen, Beine und Knie bis rauf in die Hüften weh. Ich war zu erschöpft und hungrig zum echten Flattern. Aber der gebratene Saibling aus der Region mit Bratkartoffeln und (viel) Salat im Gasthaus Hoher Knuck war lecker. 🙂
The day after
Heute morgen fiel mir das Aufstehen und Laufen ECHT schwer. Arme vom Stockschwingen und Hüfte abwärts tat alles weh. Sohlen, Fersen, Gelenke und Achillessehnen waren doch ziemlich beansprucht worden in den Barfuss-Schuhen, die weder Führung noch Halt bieten, barfuß halt, aber doch wieder nicht ganz. Äußerlich waren sowohl Füße als auch Schuhsohlen unversehrt, damit hätte ich fast nicht gerechnet.
Qigong erst am Mittag
Das Wetter meinte es gut mit mir. Es regnete bis zum Mittag. So lange brauchte ich auch, bis ich in der Lage war, die Runde mit dem Hund in den Wald zu radeln, um – wie üblich – Qigong zu machen. Dort erlebte ich eine weitere Überraschung. Ich übte in weiser Voraussicht auf den morgigen Tag (Muskelkater kommt bei mir immer an Tag 2 am stärksten) 30 Minuten, also 2x WG 1 und 1x Wildgans Typ 2. Während der Übungen fühlten sich die Sequenzen insbesondere um die Fußgelenke/Fußwechsel herum trotz Schmerzen und Beanspruchung irgendwie leichter an. Komisch. Hinterher spürte ich Wärme in der Oberschenkelmuskulatur, eine stärkere Durchblutung und „Energiearbeit“ imKörper sowie insgesamt mehr Leichtigkeit. Die Schmerzen waren verschwunden, ich konnte sogar schmerzfrei laufen! (Ein leichter Muskelkater in Waden, Po sowie Hals/Schultern ist jetzt – am Abend – noch da, mal sehen, wie es morgen wird.)
Fazit
20km ist für einen erfahrenen Wanderer (in guten Wanderschuhen) natürlich ein Klacks. Aber ich bin weder im langen Laufen noch im Nordic Walking trainiert. Dazu noch Barfuss-Schuhe, die ich bisher nur auf kurzen, ebenen Strecken getragen habe. Das war also keine gute Idee! Mit den Flipflops letzte Woche ging es mir hinterher um Klassen besser!
Schmerzen mit Barfuss-Schuhen: Warum?
Woran das liegt, dass mir die Füsse und Beine bis rauf in die Hüften weh taten? Bin ich falsch gelaufen, oder ist das normal, bis man sich an die ungewöhnliche Belastung gewöhnt hat? Es gibt sicher eine professionelle Antwort dafür, aber ich habe eine eigene Vermutung, angelehnt an eine Erfahrung, die ich kürzlich an anderer Stelle machen durfte:
Barfuss laufen auf Asphalt
Ich bin auf Asphalt barfuß gelaufen. Dabei habe ich das Auftreten über die Ferse deutlich im Kopf als unangenehme Erschütterung gespürt und bewusst meine Schritte mehr über den Ballen gelenkt. (Das geht auf die Oberschenkel, geht aber für eine Weile und ist ein gutes Training.) In normalen Schuhen spürt man/ich diese Erschütterung im Gehirn nicht so deutlich bzw. sie wird über die Sohle/Absatz abgefedert.
Die Kombination aus Walkingstöcken und Barfuß-Schuhen hat den Fersenaufschlag abgefedert und nicht bis ins Gehirn transportiert, wo ich es ziemlich schnell gemerkt hätte. Es ist stattdessen in den Hüften und im unteren Rücken „hängengeblieben“. Deshalb die Schmerzen in diesen Bereichen. Ohne Stöcke hätte ich vermutlich schneller gelernt, anders (richtig?) aufzutreten, wäre aber sicher deutlich langsamer vorangekommen. Ob ich dann die gut 20km geschafft hätte…?
Übrigens, nachdem ich (nach dem Asphaltlaufen damals) Qigong gemacht hatte, ging ich spontan viel leichtfüßiger!
Übrigens 2: Wenn ich am Vorabend hochhackige Schuhe trug, spürte ich sofort am nächsten Tag anhand der Übungen die verkürzten Sehnen.
P.S. Die meisten Fotos stammen nicht von der gestrigen Wanderung/Strecke, sind aber alle aus der Nähe im Naturpark Spessart aufgenommen. Da ich mit anderen Dingen beschäftigt war, konnte ich gestern nur wenige Fotos machen. 😉
Nachchlag: Heute, am Montagmorgen, geht es mir gut. Der Muskelkater ist fast weg. Nur die Wespe bleibt mir noch ein wenig in Erinnerung.
Die Wildgans meint
Auf steinigem Boden war es in der Tat eine Herausforderung. Für lange Wanderstrecken bzw. regelmäßiges Wandern braucht es sicher viel „Einlaufen“, bis es entspannt aussieht. 🙂
walkingfreunde.de meint
In Eichhall, das ist ne interessante Tour. Nur mit den Barfuss Schuhen stelle ich mir das schwer vor, damit kann man doch gar nicht flüssig über die Ferse abrollen oder?