Altes, geheimes Wissen über 2000 Jahre alt
Qigong bedeutet „das Qi üben“. Qi kann übersetzt werden mit „vitale Energie“ oder Lebensenergie. „Gong“ ist das Training. Wildgans (chin. = Dayan) Qigong ist eine der ältesten und wirksamsten Qigong-Typen. Es wurde in der Sichuan Provinz zur Zeit der Jin-Dynastie 1115-1234 entwickelt und geht zurück bis zur Han-Dynastie (206 v.Chr. – 220 n.Chr.). Damals entstanden drei unterschiedliche Qigong-Stile: Kunlun, Kongtong und Shaolin. Das Wildgans Qigong gehört zur daoistischen Kunlun-Schule. Über Jahrhunderte wurde das Wissen streng geheim gehalten und nur von Lehrer zu Schüler weitergegeben.
Die Wildgans als Vorbild für daoistische Mönche
Die Provinz Sichuan, in der die Wildgans ihren Ursprung findet, liegt östlich des tibetischen Hochplateaus am Oberlauf des Flusses Jangtsekiang, am Rande des Kunlun-Gebirges. Dieses erstreckt sich über 2500 Kilometer bis zum Pamirgebirge. Diese über 4000 Meter hohen Berge haben in der chinesischen Mythologie spirituelle Bedeutung und werden deshalb auch „Berge des westlichen Paradieses“ genannt. An dessen Ausläufer zogen sich daoistische Mönche der Kunlun-Schule zur Meditation und Askese zurück.
Der Flug der Wildgänse erfolgte über die Kunlun-Berge. Die Wildgans ist ein sehr starker, beweglicher und enorm ausdauernder Vogel. Sie ist in der Lage, ohne Unterbrechung weite Strecken in großer Höhe und bei Kälte zu fliegen. In China ist die Wildgans ein Symbol für Langlebigkeit, Lebendigkeit, Kraft, Anmut und Ausdauer. Nach intensiver Beobachtung der Tiere entwickelten die Mönche in Kombination mit ihrem medizinischen Wissen eigene Bewegungsabläufe und machten sich die typischen Wildganseigenschaften zunutze. So bestehen die Übungen aus einem Wechsel aus energischen, kräftigen und weichen, anmutigen Bewegungen.
Zugang zur Öffentlichkeit erst 1978
Yang Mei Jung war in der 27. Generation des Wildgans-Dayan- Systems die bekannteste Vertreterin. Im Jahre 1978 beschloss die 83-jährige Großmeisterin, dass es an der Zeit sei, das Geheimnis um Dayan (Wildgans) Qigong zu lüften. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, die gesundheitlichen Vorteile der Wildgans selbst zu erleben. Laut Legende durfte kein Nachfolger vor seinem 70sten Geburtstag Dayan Qigong unterrichten. Sie selbst lernte die Übungen von ihrem 73-jährigen Großvater. Warum ging sie erst so spät an die Öffentlichkeit? Während der kulturellen Revolution (1966-1976) waren Qigong und alle anderen Heilmethoden und spirituellen Praktiken verboten.
1976 wurde die Reform aufgehoben und die Menschen durften wieder „auf den Straßen tanzen“, wie es der damalige Führer Deng Xiao Ping formulierte. Ab da fingen die Menschen wieder an, in den Parks die verschiedenen Heilübungen zu praktizieren. Vielens von dem, was die Großmeisterin Yan Mei Jung an Qigong-Praktiken und Aussagen sah und hörte, gefiel ihr nicht. Und so beschloss sie, dass es an der Zeit war, diese alten Heiltechniken des Da Yan Qigong mit der Öffentlichkeit zu teilen. Obwohl sie über 80 Jahre alt war und kaum 1,50cm groß, strahlte sie eine ungeheure Präsenz und Energie aus. Sie begann in einem Park in Peking zu unterrichten, und schon bald sprach es sich herum. Praktizierende und Qigong Begeisterte kamen aus ganz China und anderen Teilen der Welt, um von der Großmeisterin unterrichtet zu werden. Yan Mei Jung starb 106-jährig. Nach ihrem Tod am 23. Juli 2002 trat ihr älterer Sohn, Meister Chen Chuan-Gang in 28. Generation das Erbe an. Der heute über 90-jährige ist bei bester Gesundheit und unterrichtet weiterhin täglich.
Seit dieser Zeit unterstützt auch die chinesische Regierung die Wildgans als sichere und gesunde Übungsform für Jedermann. Wildgans Qigong ist aufgrund seiner Ganzheitlichkeit eines der bekanntesten und beliebtesten Qigong-Stile in China.
Wildgans Qigong heute
Qigong ist ein Fundament der östlichen Philosophie, Medizin und Meditation. Die Qigong-Medizin ist fester Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin neben Akupunktur, Kräuterkunde und Tuina-Massage. Es gibt Hunderte, ja Tausende von Qigong-Arten. Dayan ist eine der ältesten. Es heißt, dass die chinesische Regierung einst Forschungen über den medizinischen Nutzen von Qigong initiiert hatte. Es blieben danach nur noch wenige Qigong-Stile übrig, denen man einen guten Nutzen attestieren konnte. Wildgans-Qigong, heißt es, war eine davon.
Heute ist Dayan ein integrierter Bestandteil der traditionellen und modernen Chinesischen Medizin. In traditionellen chinesischen Krankenhäusern wird Qigong sogar zur Regeneration eingesetzt, auch bei Krebspatienten. Zunehmende Beachtung findet Qigong auch immer mehr in der westlichen Medizin. Immer mehr Menschen entdecken die meditativen und körperlich aktivierenden Vorteile der fernöstlichen Heilgymnastiken wie Yoga oder Qigong. Viele deutsche Krankenkassen fördern und unterstützen Kurse als Maßnahme zur Gesundherhaltung.
Wildgans Qigong I und II zählt zur Gruppe der medizinischen Bewegungs-Qigong und besteht aus jeweils 64 Übungen. Jeder Teil dauert etwa 10 Minuten. Qigong kann hilfreich sein bei Schmerzen; es kann der Stärkung des Immunsystems und einer Vielzahl von Krankheiten wie Kopfschmerzen, Multiple Sklerose, Parkinsonsche, Arthritis, Fibromyalgie, etc. dienlich sein. Man muss sich nur Bilder von älteren Menschen in China anschauen, wo teilweise 89-Jährige so fit sind wie 40-Jährige und täglich ihre Übungen machen, während in Deutschland immer mehr Menschen mit Gehilfe oder Rollator unterwegs sind.
Die wesentlichen Merkmale von Dayan Qigong sind:
- Umfang. Im Dayan sind die meisten Übungen der anderen Qigong-Stile und zusätzlich Akkupressur enthalten.
- Bewegung: Viele unterschiedliche Bewegungen dienen der Stärkung des Bewegungsapparates (Muskulatur, Gelenke, Sehnen) sowie die Balance und Koordination.
- Sicherheit. Einige Qigongs sind für Nebenwirkungen bekannt. Bei der Wildgans sind diese sehr selten bis nicht existent.
- “Fliegende” Bewegungen imitieren die Bewegung der Wildgans. Dadurch können auch die kleinsten Meridiane im Körper geöffnet werden.
- Präzision: Die Akupressurpunkte werden sorgfältig im Fluss der Meridiane abgearbeitet
- Natürlichkeit: Im Gegensatz zu den meisten Qigongs spielt die Kontrolle der Atmung oder die Visualisierung bestimmter Zustände bei der Wildgans keine Rolle. Mit den Übungen reguliert sich der Körper von selbst.
- Wildgans Typ I steht für alle postnatalen, also erworbenen, vorwiegend körperlichen Probleme.
- Wildgans Typ II behandelt alle prenatalen Vorgänge, also die, die vor der Geburt (genetisch) entstanden sind.