Im Gesundheitsblog „Medizin-im-Text“ von Dr. med. Dunja Voss ist folgender Gastbeitrag von mir erschienen.
Den Ängsten davonflattern
Rund 8 % der Deutschen ab 18 Jahren leiden an Depressionen oder depressiven Störungen. Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitsdauer beträgt bei Angestellten aufgrund psychischer Erkrankungen 34 Tage pro Jahr. Frauen sind fast doppelt so häufig betroffen wie Männer. Doch wie steht es mit selbstständigen Frauen und Männern, für die ein Krankheitstag gleich ein doppelter Ausfall bedeutet? Die freiberufliche Unternehmerin Snezana Galijas hat ihre Methode gefunden. Sie flattert ihren Sorgen und Ängsten einfach davon.
Alleinerziehend, selbstständig, „frei“
Als die dreifache Mutter und freiberufliche Werbetexterin nach der Trennung plötzlich alleinerziehend war, gesellten sich zu den gelegentlichen Tagen der Antriebslosigkeit teilweise massive Sorgen. Existenzangst, die Verantwortung für die Kinder und die Frage: Wie kann ich als Selbstständige die nächsten Jahre physisch und vor allem psychisch gesund und leistungsfähig bleiben? „Ich spürte die große Verantwortung, die wie schwere Steine auf meinen Schulter lagen, und war oft müde und kraftlos.“ blickt die heute 48-Jährige zurück. „Wildgans Qigong hat mich gerettet und mir buchstäblich Flügel verliehen.“
In der Not hilft Freund Zufall
Dabei kam die Unternehmerin 2005 rein zufällig zum Kurs beim chinesischen Arzt Dr. Weihong Yang in der Volkshochschule Aschaffenburg. „Eine Kollegin wurde krank und schenkte mir ihren bereits bezahlten Platz“. Was Snezana Galijas bereits am ersten Tag des Wochenendkurses erlebte war ein wahres „nächtliches Feuerwerk und Heer an Soldaten“, wie sie auf ihrer Website beschreibt. Im Laufe der Jahre stellte sie fest, dass es außer dem in Würzburg ansässigen Dr. Yang in Deutschland so gut wie keine Lehrer und auch kein brauchbares Videomaterial für diese spezielle Form von Qigong gibt. Dabei ist die Wildgans in China sogar staatlich anerkannt und zählt dort zu den beliebtesten Qigongs. „Ich konnte gar nicht glauben, dass diese hocheffektiven, 10-minütigen Übungen, die in chinesischen Krankenhäusern zum Standard-Therapieplan gehören, hierzulande kaum jemand kann und kennt,“ wundert sie sich.
Qigong-Medizin und Traditionelle Chinesische Medizin
Die Wildgans ist ein medizinisches Bewegungs-Qigong, das auf Vorbeugung, Heilung und Regeneration ausgerichtet ist. Es ist seit 1995 staatlich anerkannt und wird in chinesischen Krankenhäusern bei einer Vielzahl von Krankheiten und sogar bei Krebspatienten eingesetzt. Was viele nicht wissen: Neben der Traditionellen Chinesischen Medizin gibt es sogar eine spezielle, auch anerkannte, Qigong-Medizin, die auf den Prinzipien von TCM beruht. Darauf basieren im Grunde alle Qigong-Übungen, von denen es Hunderte von individuellen Interpretationen gibt. Die bekanntesten sind Tai Chi (ursprünglich als Kampfkunst konzipiert) und die acht Brokate. Diese, sowie die meisten anderen Qigongs, sind im Wesentlichen in der Wildgans vereint – obwohl man für einen „Wildgansflug“ nur 10 Minuten braucht. Wie das geht? Der Unterschied zu anderen Qigong-Stilen: Die Wildgans besteht aus 64 teils sehr unterschiedlichen, oft auch ganz kurzen, Einzelsequenzen. Die wenigen ruhigen, meditativen Abschnitte werden dominiert von dynamischen, kraftvollen Bewegungssequenzen, die viele an einen anmutigen Tanz erinnern. Jede Sequenz ist hocheffektiv mit eigenen Wirkungen.
Was passiert während der Übungen?
Beim Üben werden durch Bestrahlen, Massieren und Akupressur der Meridiane und Energiepunkte mit den Fingern die inneren Organe aktiviert und stimuliert. So werden alle Akupressurpunkte und Meridiane sorgfältig und präzise abgearbeitet. Das typische Flattern – also das Drehen der Hände aus dem Handgelenk – öffnet zusätzlich auch die kleinsten Meridiane, die bis in die Fingerspitzen führen. Damit wird die harmonische Zusammenarbeit der Organe gefördert. Der Kreislauf – also der Durchfluss von Qi (Lebensenergie) und Blut – wird verbessert und damit der Stoffwechsel angeregt. Schon nach den ersten Übungen spüren viele, wie die Energie fließt. Bei den bewegten und dynamischen Sequenzen mit Beugen, Bücken und Drehbewegungen werden Muskeln, Bänder und Sehnen schonend gedehnt und geschmeidig gemacht. Besonders die Rechts-/Links-Sequenzen und die Balanceübungen auf Zehenspitzen stärken das innere und äußere Gleichgewicht, womit die Verletzungsgefahr reduziert und die Konzentration verbessert wird. Sie geben gleichzeitig Hinweis darüber, wie gut der Mensch sich im psychischen Gleichgewicht befindet. So erlebt der Übende bei fehlender Standfestigkeit sehr eindrücklich, dass er u.U. den äußeren Stress reduzieren und einen Gang herunterschalten sollte, um auch wieder zur inneren Balance zu finden. Bei alledem spielt die Atmung (es wird ganz normal geatmet) oder Visualisierung bestimmter Zustände oder Energieflüsse keine Rolle. Der Körper macht praktisch alles von selbst. Nebenwirkungen sind (im Gegensatz zu anderen Qigongs) nicht bekannt.
Ein Geschenk für die Psyche
Dass Meditation und Qigong sich positiv auf die Gesundheit auswirken, ist tausendfach bewiesen. Besonders bei Stress und Angst konnten in klinischen Studien (u.A. von Peter Sedlmeier in Neuroscience and Biobehavioral Reviews) gute Erfolge verzeichnet werden. Konzentration, Kreativität und geistige Klarheit werden gefördert. Mit den Übungen wird also nicht nur der physische Körper gestärkt, sondern auch die Psyche. Denn die Meridiane haben direkten Zugang zu Geist und Seele.
„Der große mütterliche Strom“ und „das Meer der Yang-Meridiane“
Ein Beispiel ist der Sondermeridian „Konzeptionsgefäß“ (Ren Mai), der vom Perineum (Damm) über Schambein, Magen und Brust bis zur Unterlippe verläuft. Er verbindet die Energien aller Yin-Meridiane und gleicht diese aus. Eine besondere Bedeutung hat er für die weiblichen Geschlechtsorgane, Fruchtbarkeit und Empfängnis. Er unterstützt die Fähigkeit, ruhig und offen zu sein, ermöglicht spirituellen Frieden, stärkt die emotionale Sicherheit, Charme und erotische Ausstrahlung. Es ist verantwortlich für den Ablauf unbewusster Prozesse.
Sein Partner, der die Energien aller Yang-Meridiane verbindet und ausgleicht, ist der Lenkermeridian (Du Mai). Er verläuft vom Steißbein kommend über Rücken, Kopfmitte, Stirn, Nase und Oberlippe bis zum Gaumen. Wichtig für Funktionen der Wirbelsäule, Muskeln und Nerven. Er sorgt für innere Stabilität in Belastungssituationen, Kreativität und Selbstsicherheit. Auch psychovegetative Funktionsstörungen, wie Nervosität, Angstzustände, Erschöpfung u.v.m. lassen sich durch das Stimulieren der Akupunkturpunkte lindern.
Soweit so gut. Was bedeutet das für Wildgans Qigong? Neben allen anderen Meridianen werden beim Wildgans Qigong auch diese beiden Sondermeridiane mit den Händen bestrahlt bzw. aktiviert. Zum Beispiel gleich in der Anfangsübung (und auch immer mal während der andere 63 Übungen), bei der die Zunge gegen den Gaumen gedrückt wird.
Kein Lehrmaterial vorhanden – aus „Not“ selbst eine DVD gemacht
Zurück zu Frau Wildgans. Als Snezana Galijas gleich zu Beginn eine Weile nicht trainieren konnte und die Übungen vergaß, suchte sie lange nach Lehrmaterial, um die Übungen aufzufrischen. Vergeblich. Es gab weder brauchbares Lehrmaterial noch Lehrer, wie sie überrascht feststellte. Die Kurse bei ihrem Lehrer Dr. Yang fanden über 12 Monate verteilt in drei Portionen über jeweils ein ganzes Wochenende statt. Schneller könne man es auch kaum schaffen, zumindest wenn man die Hintergründe über die Traditionelle Chinesische Medizin und die Wirkweise der Übungen auf Meridiane, Organe, Gelenke, Sehnen und Muskeln genauer lernen will. Doch so lange wollte Frau Wildgans nicht warten, zumal sie bereits Kenntnisse über TCM aus der Vergangenheit hatte und nur eine schnelle Auffrischung benötigte. Damals entstand die Idee, irgendwann einmal eine DVD zu machen. „Für mich und für alle, denen es ähnlich geht.“ Fast 10 Jahre hat es gedauert, bis der Impuls kam. Über inzwischen angebotene Intensivierungskurse und Einzelcoachings bei Dr. Yang perfektionierte sie im Laufe der Zeit die Wildgans-Übungen. Sie flatttert nun genauso, wie Dr. Yang es 1985 von seinen Lehrer an der Akademie für Chinesische Medizin in Peking gelernt hat. Und zwar täglich, meist draußen im Wald, im Sommer barfuß.
Konzentriert. Dynamisch. Gesund
„Mich als (ehemalige) Sportlerin haben vor allem die Dynamik, die Vielseitigkeit und die Effektivität fasziniert“, fasst die gebürtige Bosnierin ihre Begeisterung zusammen. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen meditativen, ruhigen Qigongs ist die Wildgans wohl die mit den meisten Bewegungen. „Das kommt mir als Unruhegeist, der nicht lange stillsitzen kann, sehr entgegen.“ gibt sie offen zu. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen auf den Körper profitiere die Unternehmerin insbesondere von der Wirkung auf die Psyche. „Ich habe nicht nur meine Ängste in den Griff bekommen, sondern bin geistig fokussierter, konzentrierter und insgesamt leistungsfähiger und auch selbstbewusster, geworden.“ Jetzt, nach fast zehn Jahren Reifezeit, in der mittlerweile zwei ihrer Töchter zum Studieren ausgeflogen sind, ist ihre erste deutschsprachige Lehr-DVD erschienen. „Es ist ein echtes Herzensprojekt und mein viertes „Baby“ – mit allem, was dazu gehört.“
Mehr Infos zum Wildgans Qigong sowie einen Auszug aus der DVD gibt es unter: www.wildgans-qigong.de
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