Wie angekündigt habe ich jede Menge Bücher, die mir für diesen Blog spannend erschienen, von der Frankfurter Buchmesse mitgebracht.Ich starte mit dem Buch, das als erstes im Briefkasten lag als kleines „Weihnachtsgeschenk“ für die zahlreichen Heilpraktiker, Therapeuten, Ernährungsberater und „Kräuterhexen“ unter meinen Lesern. (Ihr dürft euch über Weihnachten Gedanken machen, ob und wie ihr die Idee umsetzen wollt.)
Es geht um dieses handliche, 110 Seiten starke Büchlein: „Vermarktung von Kräuterprodukten – Rechtliche Rahmenbedingungen für Kräuterführungen, Kosmetika, Arznei- und Lebensmittel“ von Rudi Beiser.
„Rudi Beiser beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Kräutern und Heilpflanzen. Er gibt regelmäßig Seminare zu Kräuteranbau, Wildkräuterküche und Heilpflanzenheilkunde, u.A. in der Freiburger Heilpflanzenschule.“ erfahre ich im Buch.
Vielleicht denken Sie schon länger darüber nach, Ihre therapeutische Praxis mit dem Verkauf von Produkten zu erweitern? Ihren Verdienst zu verbessern mit Angeboten, von denen Sie sowieso schon überzeugt sind bzw. selbst nutzen? Oder Spass mit Nutzen verbinden wollen und daraus neue Zusatzdienstleistungen stricken? Dann könnte dieses Büchlein genau das Richtige für Sie sein – zumindest wenn Sie dabei an Produkte aus Kräutern denken.
Das „Scheusal“ – rechtliche Rahmenbedingungen
Sind wir mal ehrlich, Ideen hatten wir schon viele. Doch sobald wir anfangen, die Rechtslage zu studieren, lassen wir schnell frustriert die Finger davon: zu kompliziert, zu teuer, zu aufwändig, zu viele Mitbewerber, zu… Wenn Sie zudem noch in der Gesundheitsbranche arbeiten, ist sowieso etwas mehr Vorsicht geboten. Schließlich geht es um den Menschen und seine Gesundheit. Schauen wir also mal am Beispiel Kräuterprodukte etwas genauer hin.
Risiko minimieren
Das Buch startet mit einem wichtigen Punkt: dem Haftungsausschuss. Den brauchen Sie speziell bei Seminaren, Vorträgen und Führungen. Die Klausel besagt, dass Sie keine Haftung und Garantie übernehmen. Einen Textvorschlag gibt der Autor Ihnen mit auf den Weg. Außerdem erklärt er, was Sie in diesem Zusammenhang (also bei Seminaren, etc.) auf keinen Fall tun dürfen, z.B. eine Diagnose stellen und auch, was Sie direkt beim Sammeln wildlebender Pflanzen wissen sollten.
Was kann man aus Kräutern herstellen?
Bevor wir ins Eingemachte gehen, zunächst einmal ein paar Ideen, was man mit Kräutern machen kann und welche Vorselektion möglich (und wichtig!) ist:
Kräuter als Arzneimittel, wenn sie zur Heilung oder Linderung von Beschwerden eingesetzt werden.
Kräuter als Lebensmittel, wenn sie zur Ernährung oder zum Genuß produziert werden, z.B. Kräuterteemischungen. (Die meisten Kräuter (ca. 50 %) werden zu Lebensmitteln verarbeitet.)
Kräuter als kosmetische Mittel, wenn sie ausschließlich oder überwiegend äußerlich zum Schutz, Erhaltung, Parfümierung oder Veränderung des Aussehens angewendet werden.
Kräuter als Bedarfsgegenstände, wenn sie zur Geruchsverbesserung in Räumen, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, eingesetzt werden. Mehr dazu weiter unten.
Die genaue Definition der Zuordnungen steht im Buch bzw. in §2 AMG bzw. §2 LFGB.
Zweckbestimmung entscheidet
So, jetzt wird’s etwas komplizierter. Ob ein Kraut Arzneimittel, Lebensmittel, Kosmetikprodukt oder ein Bedarfsgegenstand wird, entscheiden nicht Sie allein, sondern die sogenannte objektive Zweckbestimmung.
Der Verwaltungsgerichtshof München urteilt: „… Die Frage, wann eine Zweckbestimmung vorliegt, lässt sich nach verschiedenen Kriterien beurteilen. So können Verbrauchergewohnheiten, Verpackung, Bezeichnung und Aufmachung des Präparats, die Art der Werbung, die Gebrauchsanweisung sowie die Verkehrsauffassung Kriterien sein, die auf die Zweckbestimmung als Arzneimittel schließen lassen.“
Beispiel: Eine Echinacea-Tinktur wird nicht automatisch zum Lebensmittel, indem Sie „wohltuender Kräuterschnaps“ auf das Glas schreiben. Denn die „objektive Zweckbestimmung“ – also die allgemeine Verkehrsauffassung wie z.B. Verbrauchergewohnheiten – sagt, dass eine Echinacea-Tinktur ein alkoholischer Auszug aus dem Sonnenhut ist, der die körperlichen Abwehrkräfte stärkt.
Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Pfefferminze, die eine Standardzulassung als Arzneimittel besitzt, automatisch ein Arzneimittel ist. Denn es ist gängige Verbrauchergewohnheit, dass Pfefferminze gerne zum Genuß als Tee getrunken oder im Essen verarbeitet wird.
Apropos Tee: Wer sich mal ein Urteil zu Gemüte führen möchte am Beispiel Mistelkrauttee: VG Sigmaringen.
Hm, und was ist nun mit den Echinacea-Bonbons, die im Lebensmittelregal stehen und demnach kein Arzneimittel ist? Dies liegt daran, „dass diese Produkte fast ausschließlich Zucker und andere Süßmittel enthalten und nur so wenig Echinacea-Extrakt, dass keine arzneilich wirksame Dosis erreicht wird.“
Wieder was gelernt: Was also im Supermarkt an Bonbons etc. steht, darf gar nicht wirksam sein.
Auf die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Lebensmittel geht der Autor im Kapitel „Vermarktung von Kräutern als Lebensmittel“ näher ein.
Vermarktung von Kräutern als Arzneimittel
Da Sie vermutlich nicht eine Million Euro oder mehr rumliegen haben (und nebenbei auch noch Apotheker sind oder ein Hochschulstudium der Pharmazie, Chemie, Biologie oder Human- bzw. Veterinärmedizin vorweisen können) können wir diesen Teil der Zulassungspflicht ausklammern und gleich zu den Standardzulassungen kommen.
Zu den Standardzulassungen zählen 80 Kräuter, die schon mal zugelassen worden sind. Die eine Million für das Zulassungsprozedere hätten Sie also schon mal gespart. Bleibt noch die Herstellung. Hierfür müssen Sie immernoch Apotheker sein oder einen Mitarbeiter mit o.g. Studium zur Verfügung haben. Das war’s aber leider noch nicht. Es gibt da noch die Anforderungen gemäß Arzneibuch, Fakten über die erleichterte Zulassung für freiverkäufliche, verschreibungspflichtige Arzneimittel und apothekenpflichtige Heilpflanzen samt exakter Formulierungsanforderungen.
Es wird einem schon beim Lesen schwindelig, aber wer Arzneimittel herstellen möchte, sollte es genauer wissen wollen – z.B. wie die Formulierung lautet und welche 80 Kräuter das sind. Im Buch steht’s drin.
Ausnahme für Ärzte und Heilpraktiker
Im § 13 des Arzneimittelgesetzes heißt es: „Einer Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf ferner nicht eine Person, die Arzt ist oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist, soweit die Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren fachlichen Verantwortung zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden.“ Das heißt im Klartext: Der Heilpraktiker darf das Mittel nur direkt in seiner Praxis und unmittelbar am Patienten einsetzen. Mit nach Hause geben ist nicht erlaubt.
Das Thema Kräuter als Arzneimittel herstellen und verkaufen dürfte damit für die meisten abgehakt sein. Aber da gibt es noch die Lebensmittel. Denn viele (immer mehr?) Verbraucher sind nicht doof und wissen um die Wirkung vieler Kräuter, auch wenn es nicht explizit auf der Verpackung oder dem Beipackzettel steht. Mit anderen Worten:
Wenn Sie z.B. Melisse als Genußmittel verkaufen, bleibt es dem Verbraucher frei, das Kraut als Heilkraut zu verwenden und daraus ein Heilmittel zu machen.
Vermarktung von Kräutern als Lebensmittel
Kommen wir zum nächsten, angenehmeren Kapitel: den „Genusskräutern“. Dazu zählen Teekräuter (als Erfrischungsgetränk oder Genusstee), Gewürze, Kräutersalz, Pesto, Kräuteressig, Würzöle oder Liköre. Es gibt also noch genügend Möglichkeiten, ihre Praxis- und Verkaufsregale mit leckeren Kräutervariationen zu füllen! 🙂
Hygiene und Haftung
Auch hier gibt es gesetzliche Regelungen und Vorschriften in Bezug auf Lebensmittelhygiene (nah HACCP) sowie Haftung, z.B. beim Verkauf fehlerhafter Produkte. Bei der Hygiene betrifft dies die Betriebsstätte (auch mobile Verkaufseinrichtungen) ebenso wie die Personalhygiene, wie z.B. Arbeitskleidung. Die regelmäßige Schulung bei Gesundheitsamt über Hygiene und Infektionsschutz ist übrigens Pflicht! Das Thema Hygiene und Haftung wird ausführlich im Buch beschrieben. Ebenso wie das …
Gewerberecht und Steuerrecht für Direktvermarkter
Zu erwähnen ist (bzw. im Buch behandelt werden):
— die Gewerbeordnung samt
— Ausnahmen bei der Direktvermarktung
— Hofladen als Nebenbetrieb
— die zulassungspflichtigen Handwerke gemäß Handwerksordnung — die steuerrechtlichen Besonderheiten für Direktvermarkter und
— die Ladenschlusszeiten
Rechtliche Grundlagen der Lebensmittelkennzeichnung
Die Lebensmittelkennzeichnung ist in der EU weitgehend einheitlich. Es gibt neben zwei Gesetzen jede Menge Verordnungen zu beachten, die im Buch aufgeführt sind. Dann stellt sich die Frage nach dem Etikett und der Kennzeichnung sowie dem Namen des Lebensmittels bzw. der Verwendung der richtigen Begriffe, z.B. bei Marmelade, Konfitüre oder Fruchtaufstrich. All dies wird ziemlich genau beschrieben, z.B.
— Produktbeschreibung
— Zutaten, ob mit und ohne Alkohol,
— (Füll-)Mengenangaben und
— Haltbarkeitsanforderungen
— richtige Schriftgröße,
— Preis- und Herstellerangabe,
— Nährwertkennzeichnung
— Allergiekennzeichnung
— Ausnahmen von der Kennzeichnung
— Abgrenzung von Arzneimitteln
— Aufbewahrung
Desweiteren Angaben über Bio, Gentechnik, Bestrahlung und einiges mehr bis hin zu den „health claims“, also den Werbeaussagen. Hier ist also weniger das Geld, wie bei der Arzneimittelzulassung, sondern mehr Fleißarbeit und Genauigkeit gefragt.
Vermutlich deshalb nimmt der Teil „Kräuter als Lebensmittel“ im Buch den größten Platz ein.
Danach folgt der Abschnitt:
Vermarktung von Kräutern als Kosmetika
Hier gibt es offenbar weniger zu beachten. Allerdings gibt es für kleine Hersteller einen Knackpunkt: die Sicherheitsbewertung und der Sicherheitsbericht. Diese sind für kleine Anbieter schwer einzuhalten bzw. der Aufwand lohnt bei kleinen Mengen nicht wirklich. Deshalb empfiehlt der Autor, sich von der zuständigen Überwachungsbehörde beraten zu lassen.
Das Buch schließt mit einer Liste an Links und Adressen zu Gesetzen, Verbänden und offiziellen Stellen.
Was ich im Buch vermisse
sind Informationen über Bedarfsgegenstände nach LFGB. Lediglich die Aufzählung einiger Beispiele in der Einleitung gibt Hinweis auf die möglichen Einsatzgebiete:
— Potpourris
— Duftsäckchen
— Räucherwerk
— Duftöle
— Raumduftspray
— Färbemittel
— Pflanzenpflegemittel
— Saunaaufgüsse
Fazit:
Wer mit dem Gedanken spielt, Kräuter in einer der o.g. Formen herzustellen und zu vermarkten, der sollte dieses Buch vorher gelesen haben. (Ich persönlich hätte mir das Prozedere nicht so kompliziert vorgestellt.) Inhaltlich gut strukturiert mit genügend Überschriften und farblich hinterlegten Infokästen ist es gut geeignet, sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Es enthält aber auch die nötigen Details, die einen davor bewahren bzw. warnen, schnell mal ein paar Kräuter zu sammeln und zum Verkauf in die Praxis zu stellen. Schade finde ich, dass der Bereich Bedarfsgegenstände nicht behandelt wurde. Er hätte das Buch schön komplettiert. Aber vermutlich wäre das dann zu viel geworden.
Das Buch aus dem Ulmer Verlag kann HIER direkt in gedruckte Version für 15,90 €, als ebook oder pdf für je 11,90 € bestellt werden.
Dass es trotz vieler Bestimmungen und Regeln trotzdem machbar ist, zeigen die vielen Kräuterprodukte in unzähligen Varianten, die es vielerorts zu kaufen gibt.
Also, lasst euch nicht gleich entmutigen! Und wenn Sie sich aufgrund dieses Beitrags entschieden haben, Kräuter zu vermarkten, freue ich mich über Ihr Feedback! Am besten mit Fotos! Das wäre mir auf jeden Fall einen kleinen Follow-up-Bericht im Blog wert! 🙂
Genauso freue ich mich über Berichte von Menschen, die schon Erfahrung mit der Vermarktung von Kräutern haben und ein paar gute Tipps für die „Neukräutler“ haben. Deshalb: Teilen des Beitrags erwünscht. 🙂
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