Meinen heutigen Interviewgast, Simon Müller, lernte ich beim Frankfurt City Triathlon Anfang August kennen. Der Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Langen saß uns nach dem Wettkampf im VIP-Bereich des Veranstalters gegenüber und unterhielt sich mit seinem britischen Triathlonkollegen, der für dieses Rennen angereist war. Es ging um Dinge wie „Kind ins Rad laufen“, „gebrochener Lenker“ und „180 km Radfahren“.
Meine Neugier war geweckt. Ich fragte nach, und es entwickelte sich ein nettes, interessantes Gespräch mit einem nicht nur „infizierten“, sondern – wie ich meinte – „lichterloh brennenden“ Ironman. Mir war schnell klar: Mit diesem Mann – dem ersten Ironman, den ich gerade kennengelernt hatte – wollte ich meine Interviewreihe Healthy FREIday bereichern. 🙂
Simon, Du hast erst mit 38 Jahren mit Triathlon angefangen. Ist das ein typisches Einstiegsalter für diese Sportart?
Ja, es ist durchaus typisch für diese boomende Sportart mit hohem Lifestyle-Faktor. In dieser Lebensphase sind die Kinder oft aus dem Gröbsten, beruflich ist alles geregelt und das Eigenheim gebaut. Vor allem Männer suchen in den Vierziger-Jahren ihres Lebens im Bereich der Langdistanz nach einer neuen Herausforderung. Das erklärt, warum dort die Altersklassen aufwärts bis zur Altersklasse 50 gegenwärtig am stärksten besetzt sind. Bei nicht wenigen Einsteigern in diesem Alter hängt das Motiv aber auch mit schwerwiegenden Veränderungen ihrer persönlichen Umstände zusammen wie z.B. dem Alter selbst, Stichwort Hüftgold, überwundene Krankheiten oder Scheidungen. Womit nicht von einer Sportart für Frustrierte geredet werden soll. Bei mir als „altem“ Handballer war es die schon zuvor entdeckte Freude am Ausdauersport.
Wie bist du persönlich zum Triathlon gekommen?
Ein Freund – auch Handballer – und ich waren Streckenposten an der Radstrecke beim Ironman Frankfurt. Wir sahen zahlreiche wohlbeleibte ältere Männer an uns vorbeifahren und ich dachte mir: „Das kriegst du auch hin.“ Wir legten dann ein mehr oder weniger ernst gemeintes Gelübde ab: Wir machen einen Ironman! Ich hielt Wort – er wurde Gesellschaftstänzer.
Warum gerade Triathlon und nicht etwas anderes?
Als aktiver Handballer lief ich damals schon den ein oder anderen Frankfurt-Marathon. Nach den Rennen war ich sonntags nachmittags überraschenderweise sogar noch in der Lage Handball zu spielen. 2007 schenkte mir dann ein väterlicher Freund ein altes Rennrad. Das war für mich wie eine Initialzündung. 1,5 bis 2 Jahre danach konnte ich nach dem zwischenzeitlichen Kauf eines guten neuen Rades bereits Strecken von bis zu 200 km fahren. Dann gab es aber noch eine große Herausforderung namens Kraulen. Zum Glück erlernte ich das aber recht schnell in einem Volkshochschulkurs in meiner Heimatstadt Langen.
Du hast dieses Jahr den 8. Ironman mitgemacht. Bitte erkläre kurz den Unterschied zwischen Triathlon und Ironman.
Beim Triathlon gibt es wie auch in der Leichtathletik unterschiedliche Distanzen: die Lang-, Mittel- und Sprint-Distanz sowie die Jedermann-Distanz. „Ironman“ ist kein Rennen, sondern die Marke einer weltweit agierenden US-amerikanischen Veranstaltungsagentur, die unter diesem Namen Langdistanz-Rennen nach ihrer Version ausrichtet; der Namensgeber ist also kein Sportverband, sondern ein Unternehmen.
Der Name steht aber wie z.B. die Marke „Tempo“ bei Papiertaschentüchern oder „Uhu“ bei Klebstoff als Synonym für alle Langdistanz-Rennen über die Längen von 3,86 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren und Marathonlauf mit 42,195 km. An diesem Zuschnitt orientieren sich mittlerweile auch die Konkurrenzveranstalter und sogar die Internationale Triathlon Union bei ihren Langdistanz-Rennen; nur dürfen sie ihre Veranstaltungen nicht so nennen.
Eine Frage, die mich brennend interessiert: Tut dir der Popo nicht weh nach so langem Sitzen auf dem Rad?
Das Problem hat jeder Radfahrer am Anfang, aber es entwickelt sich im Verlauf der Zeit „Sitzfleisch“. Auch die richtige Sitztechnik und ein passender Sattel helfen Beschwerden so gering wie möglich zu halten.
Wie sah deine sportliche Karriere vorher aus?
Handball. Handball. Handball – seit der 1. Schulklasse und bis zu meinem „Karriereende“ in Langen vor neun Jahren. Ich spielte Rechtsaußen. Schon eine Weile davor hatte ich mit dem Radfahren angefangen.
Wie sieht ein typischer Arbeits- und Trainingstag in der Wettkampfvorbereitung aus?
In der Hochphase trainiere ich ein- bis zweimal täglich, jeweils vor und nach der Arbeit. Lange Lauf- und Radeinheiten sind nur an Wochenenden möglich. Morgens vor der Arbeit schwimme ich meistens. Wichtiger Teil meines Trainings, und dass nicht nur in der Grundlagenphase, ist das von vielen Triathleten vernachlässigte Kraft- und Rumpfstabilitätstraining.
Dabei werden mit systematischen Übungen auf einer Matte und ohne Geräte einzelne Muskelgruppen im Bereich des Bauchs und des Rückens mobilisiert und gestärkt. Genauso wichtig und sogar leistungsfördernd sind Trainingspausen. Deshalb ist Montag Schontag.
Wann beginnt deine Trainingssaison:
Mein Trainingszyklus beginnt seit einigen Jahren am Tag nach dem Ironman-Rennen auf Hawaii jeweils Mitte Oktober. Das hat sich zudem als Termin für einen frühzeitigen, langsamen Formaufbau mit dem ersten Saisonhöhepunkt beim Anfang Juli stattfindenden Ironman Frankfurt als Motivationsspritze bewährt.
Worauf musst du verzichten, und was bringt dir der Triathlon?
Ich verzichte auf nichts und vermisse nichts. Früher war ich zwei bis dreimal pro Woche im Handballtraining. Jetzt trainiere ich nach wie vor, nur anders, weitaus häufiger und länger. Eine gewisse Begabung für Ausdauersport mag schon veranlagt gewesen sein, die ich als Spätberufener entdeckt und vertieft habe. Ein Ironman bzw. Langdistanz-Triathlet zu sein, hat dennoch jenseits von messbaren Leistungen im Schwimmen, Radfahren und Laufen mein Leben verändert. Es ist eine Lebenseinstellung. In gewisser Weise hat sich dieser angebliche Extrem-Sport aber zugleich auch als Prophylaxe und Therapie für alle Wechselfälle des Lebens entpuppt. Zumindest nach eigenem Empfinden bin ich ein gelassener und ausgeglichener Mensch mit einem gewissen Grad an Resilienz. Stress kann so erst gar nicht aufkommen. Und ob gewollt oder ungewollt: es gibt auch durchweg eine positive Wahrnehmung des Ironman in der Öffentlichkeit. Ein aktuelles Beispiel ist dieses Interview.
Was tust du neben dem Schwimm-, Lauf- und Radtraining, um dich mental fit zu halten?
Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Freunde sagen, ich sei ein Motivationskünstler. Ich liebe den Sport. Das ist Motivation genug und führt zu mentaler Stärke.
Welche Fehler hast du am Anfang im Triathlon gemacht?
Ja, da fragst du den Richtigen. Bei meinem ersten Start in Frankfurt zog ich z.B. meinen Neoprenanzug verkehrt herum an, d.h. die Rückseite des Anzugs mit dem Reißverschluss befand sich auf meiner Vorderseite. Das fiel mir erst durch einen dezenten Hinweis eines Bekannten ganz kurz vor dem Start auf. Es folgte der wohl schnellste Umzug in der Geschichte dieser Sportart.
Ein anderes Mal brach ich mir die rechte große Fußzehe beim Lauf zum Rad an einer überirdischen, von einer Teppichbahn abgedeckten Wurzel in der Wechselzone eins [vom Schwimmen zum Radfahren], brachte das Rennen aber ins Ziel. Während des weiteren Wettkampfes war es nicht übermäßig schmerzhaft. Aber die Zehe sah anschließend nicht mehr gesund aus. Bei meinem Schweinsgalopp vom Umkleidezelt zum Rad wäre damals eine Sehhilfe segensreich gewesen.
Bei meinem ersten Marathon dagegen machte ich so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann: 1. Wahrscheinlich war ich für die volle Distanz nicht ausreichend trainiert. 2. Ich nahm als Einsteiger an einem Marathon mit relativ vielen Höhenmetern teil. 3. Die Veranstaltung fand im August bei hohen Temperaturen statt. 4. Am Vorabend hatte ich Handball gespielt als Vorbereitung auf die Saison; nicht die üblichen 2 x 30 Minuten, sondern Drittel. 5. Zu wenig Schlaf, 6. Zu wenig gegessen 7. Zu viel getrunken, und ein bisschen aufgeregt war ich auch vor der Premiere.
So verlief ich mich zweimal im Wald und war dann letztlich allein unterwegs. Etwa bei Kilometer 32 wurde mir mangels Flüssigkeit schwarz vor Augen, und ich torkelte durch den Wald. Dann kam eine „Prinzessin“ und nahm mich ein paar Kilometer auf ihrem Pferd mit. Bei Km 34 lud mich der Förster nach dem längst beendeten Rennen während seiner Kontrollfahrt zu seinem stinkendenden Hund in den Kofferraum seines Autos und fuhr mich ins Ziel. Eine gelungener Einstand, oder?
Wie ernährst du dich allgemein und vor dem Wettkampf?
Vollwertig, ausgewogen und nicht dogmatisch. Ansonsten gut, viel und immer. Ich meide ungesunde Dinge und nach Möglichkeit Convenience Food. Keine Konservierungs- und möglichst keine anderen bedenklichen Zusatzstoffe, keinerlei Drogen einschließlich Alkohol. Dafür viel pflanzliches Eiweiß, hochwertiges, fettarmes Fleisch maximal zweimal pro Woche. Dazu Nüsse und Leinöl wegen des hohen Anteils an Omega-3-Säuren, und natürlich frisches Obst und Gemüse.
Vor einem Wettkampf esse ich leichte Kost, d.h. keine Molkerei- oder Vollkornprodukte. Vor allem Haferflocken liegen beim Schwimmen wie ein Stein im Magen. Toastbrot mit Honig oder Marmelade ist ideal, dazu frischen Ingwersud wegen der guten Bekömmlichkeit. Das klingt nach Askese. Das ist es aber nicht. Nur alles zu seiner Zeit. Triathleten lieben Süßes. Bei selbstgebackenem Kuchen werde ich schwach.
Nimmst du Nahrungsergänzungsmittel und wenn ja, welche?
Während der Wettkämpfe die vom Veranstalter gereichten Energiegels und Riegel sowie Elektrolyt-Getränke. Diese Gels mit hochkonzentrierten Kohlenhydraten sind schnell vom Körper verwertbar und halten eine ganze Weile vor, sind aber geschmacklich zumeist grenzwertig und mit reichlich chemischen Zusatzstoffen versetzt.
Zur Vorbeugung von Muskelkrämpfen genügt die Aufnahme von schlichtem Speisesalz oder Satztabletten. Alle anderen Mineralien lassen sich jedenfalls im Falle von Hobbysportlern mit Lebensmittel der Saison und Region aufnehmen – das gilt auch für Ironman-Altersklassenathleten. Für den Muskelerhalt und -aufbau sollten nach einem langen Wettkampf idealerweise zunächst innerhalb von 40 Minuten neben Kohlenhydraten zugleich auch Proteine sowie essentielle Aminosäuren zugeführt werden.
Während des Radtrainings genügen Bananen und Leitungswasser. Bei langen Einheiten rühre ich eine Lösung mit Maltodextrin 19 an. Süßigkeiten wie Schokoriegel oder Fettiges wie Schmalzbrot sind im Training und Wettkampf absolut tabu.
Ein Ironman-Rennen dauert bei dir ca. zehn bis elf Stunden. Du hast bereits den achten hinter dir. Welche Gedanken gehen dir während dieser Zeit durch den Kopf?
Das kommt auf den Zeitpunkt des Rennens an. Zuletzt auf der Laufstrecke: „Jetzt ein Käsekuchen.“ Es darf auch Mohnkuchen sein, aber dann hätte ich bei einer Dopingkontrolle ein Problem. Die werden übrigens mittlerweile bei jedem Ironman-Rennen auch bei Altersklassen-Athleten durchgeführt.
Der Sport ist ein wunderbares Medium, um Dinge neu zu betrachten. Es kommt vor, dass ich während des Trainings meine rechtsanwaltlichen Fälle durchdenke. Die Ideen sind oftmals gar nicht so schlecht. Während eines Wettkampfs ist man allerdings auf viele andere Dinge fokussiert. Man muss z.B. darauf achten, alle 20 Minuten zu essen und zu trinken, denn während eines Langstrecken-Rennens verbrennt der Körper bis zu ca. 8000 kcal.
Wenn man bereits ein Hungergefühl spürt, dann ist es schon fast zu spät. Ohne gleichmäßige ausreichende Energiezufuhr lässt die Leistung rapide nach. Dazu kommen taktische Dinge: Ein Teilnehmer darf z.B. nicht im Windschatten eines anderen fahren. Wer dieses Verbot mehrfach missachtet und dabei erwischt wird, wird disqualifiziert.
Auch muss ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit halten und aufpassen, nicht mit anderen Teilnehmern zusammenzustoßen. Langeweile kommt also nicht auf.
Was tust du, um nach dem Wettkampf wieder runter zu kommen?
Bisher fühlte ich mich im Ziel und auch danach recht gut. In diesem Jahr schlief ich sogar ganz wunderbar in der Nacht nach dem Ironman-Rennen. Am Morgen nach einem Renntag trainiere ich bereits wieder leicht, d.h. Ausschwimmen. Das ist Teil der Regeneration.
Was sind typische Verletzungen in deiner Sportart?
Das sind vor allem Erkrankungen des Bewegungsapparats, in meinem Fall Achillessehnen-Reizungen. Auch Knieprobleme sind durch jahrelanges intensives Laufen bei meinen Kollegen keine Seltenheit. Bekannt ist zudem die so genannte Schwimmerschulter.
Das Schöne am Triathlon ist aber, dass man aufgrund der Komplexität der muskulären Beanspruchung nahezu unendlich trainieren kann. Allerdings kann die Sportart gesundheitsschädlich sein, wenn man es falsch angeht. Gerade Anfänger übernehmen sich bisweilen beim Laufen durch zu hohe Trainingsumfänge und –intensitäten. Ich trainiere deswegen auch so viel, damit mich der reine Wettkampf nicht an die äußersten körperlichen Grenzen bringt. Ein paar Reserven sollten immer noch vorhanden sein. Dabei hilft gelegentliches Überdistanzen-Training, wenngleich es zugegebenermaßen nicht schneller macht.
Ganz wichtig ist auch das erwähnte, ergänzende Athletiktraining für Rumpf und Rücken. Ohne dieses bekommt man spätestens beim Radfahren infolge der nahezu liegenden Haltung des Oberkörpers große Probleme.
Wendest du (fernöstliche) Meditationstechniken an oder übst z.B. Yoga oder Qigong?
Ich ruhe in mir. Mein Seelenheil habe ich in meinem Sport und insbesondere im Radfahren gefunden.
In welchem sportlichen Bereich möchtest du dich noch verbessern?
In allen dreien meines Sports. Wie wohl alle Wettkampfsportler in dem Bereich will ich meine persönliche Bestzeit nach unten schrauben. Das wird sicher mit jedem weiteren Lebensjahr schwieriger bis unwahrscheinlich werden.
Was müsstest du dafür tun?
Ein noch systematischeres Training unter Anleitung eines professionellen Trainers.
Wenn Alladin vorbeikäme mit einem Wunsch: Welcher wäre das?
Mein Wunsch wäre es dann, dass sich alle meine Wünsche erfüllen. Im Ernst: Ich habe genug zu essen, zu trinken, bin gesund, habe ein Dach über dem Kopf und Arbeit. Ich darf mich nicht über mein Leben beschweren. Ich bin mit dem, was ich habe, weitgehend zufrieden. Bei meinen Reisen habe ich auch schon Anderes gesehen und dadurch Demut gelernt.
Und welchen sportlichen Wunsch hättest du?
Wenig überraschend ein Start bei der Ironman-„Weltmeisterschaft“ auf Hawaii. Das wird nach Lage der Dinge wohl erst in der Altersklasse Männer 85 möglich sein. Dort ist die Konkurrenz am geringsten.
Wie teuer ist eine Ausrüstung für einen Triathleten?
Sportliche Einsteiger und Einsteigerinnen – der Frauenanteil nimmt ja erfreulicherweise zu – besitzen meistens schon alles Wesentliche für die Sportart wie ein Fahrrad, Laufschuhe und Badebekleidung. Ansonsten entstehen Kosten in Höhe weit von weniger als 100 Euro für eine Schwimmbrille, eine Sportsonnenbrille, einen Radhelm und ein Startnummernband. Für ambitioniertere Triathleten sind die Anfangsinvestitionen in dieser Sportart dann vergleichsweise hoch. Größter Einzelposten ist dabei ein Renn- besser noch ein Triathlonrad. Mit Zubehör und restlicher Ausstattung wie z.B. einem Neoprenanzug und Bekleidung liegt man bei einer kompletten Neuanschaffung ohne weiteres bei 3.000,- Euro.
Dabei bleibt es in der Regel in der Folge nicht: Triathleten gelten als betont konsumfreudig. Gerade was den Fuhrpark und die Selbstvermessung mit Sportuhren anbelangt sind nach einiger Zeit nach oben kaum Grenzen gesetzt.
Inwiefern hat dich der Sport persönlich und beruflich verändert? Was machst du heute anders im Beruf?
Ich habe mich vom Mannschafts- zum Einzelsportler entwickelt. Freizeitgestaltung und Ernährung haben sich verändert, ebenso mein Umfeld. Ich habe viele neue Bekanntschaften über den Triathlon-Sport geknüpft und dabei auch als Erwachsener einige nachhaltige Freundschaften geschlossen, sogar länderübergreifend mit Triathleten aus unserer englischen Partnerstadt Long Eaton.
Es hat sich auch über den Freundeskreis hinaus herumgesprochen, dass ich Rechtsanwalt bin. Die persönliche Ebene in einem Mandantsverhältnis ist von großem Wert. Ansonsten hat sich nicht viel verändert, außer dass mir einige Freunde aus anderen Nationen das Wort für „Verrückter“ in ihrer Muttersprache beigebracht haben.
Welche Eigenschaften/Erfahrungen aus dem Sport kannst du für deinen jetzigen Beruf anwenden?
An positiven Attributen werden Iron-Männern und –frauen gemeinhin Zielstrebigkeit, ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer und Disziplin zugeschrieben. Nichts von dem schadet in meinem Beruf.
Du bist im Bereich Arbeits- und Steuerrecht spezialisiert mit Zusatzwissen im Wirtschaftsrecht. Außerdem bist du Dozent an der Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM) in Frankfurt, wo du Berufstätige unterrichtest. Was würdest du einem Studenten raten, der a) Ironman und b) Anwalt werden will?
Berufstätige Studierende hätten für eine Weile eine ganz erhebliche Zwei- bis Dreifachbelastung. Ein Studium neben dem Beruf nach Feierabend und am Wochenende lässt ohnehin kaum Freiraum für viel Freizeit. Wer sich in dieser auch noch auf ein Langstrecken-Triathlonrennen vorbereitet, muss genau wissen, war er oder sie tut. So etwas gab es schon vereinzelt. Wem insofern Beruf und Studium immer noch nicht genug sind und zugleich verrückt genug für das Trainingsabenteuer Ironman ist, dem würde ich sagen: Reisende soll man nicht aufhalten. Auf geht’s!
Und was würdest du mir raten, wenn ich jetzt – mit 50 – Ironwoman werden wollte?
Ich würde dir zunächst mehrere Fragen stellen: Bist du gesund? Kannst du es dir finanziell leisten? Spielt dein persönliches und berufliches Umfeld mit? Wenn du diese Fragen mit Ja beantworten würdest, würde ich dir zuraten.
Du solltest es dann als mehrjähriges Projekt anzugehen und dich über mindestens zwei Saisons über kurze Triathlons und nachfolgend längere hocharbeiten. So gewöhnen sich vor allem Sehnen und Gelenke am besten an die ungewohnten und neuen Belastungen durch das Training.
Bist du zudem ein vorsichtiger Typ ohne oder nur mit sehr geringer sportlicher Vorbildung, dann empfähle ich dir zu Beginn deines Projekts einen Triathlon-Workshop speziell für Frauen zu belegen. Dort lernt frau auch Gleichgesinnte kennen.
Bitte eine kleine Anekdote aus deinem Ironman-Leben.
Nur eine? Einmal ergriff ich in Wechselzone Zwei beim Umziehen den Zeitmess-Chip meines Nebenmannes, er dafür meinen. Die Szene ähnelte der der verwechselten schwarzen Koffer in Agentenfilmen. Damit ging es auf die Laufstrecke. Zum Glück konnten die Zeiten später richtig zugeordnet werden. Meine Zeit war nämlich bei weitem besser als die des anderen Triathleten. Ein anderes Mal lief ich zu meinem damals neuen Triathlonrad oder was ich dafür hielt. Fabrikat, Größe und Farbe waren identsich. Selbst der Helm passte. Zu dumm nur, dass plötzlich jemand vor dem Rad auftauchte und sich umziehen und losfahren wollte. Es war nämlich seines. Für dieses Rennen hatte er dann quasi einen Butler, der ihm unfreiwillig seine Ausrüstung reichte.
Auch in diesem Jahr lief nicht alles rund: Kurz nach dem Wechsel zum Radfahren lief mir ein Kind vom Fahrbahnrand ins Rad. Beim drauffolgenden Sturz brach der Lenker meines Rades. Wir beide blieben zwar unverletzt, aber mein Lenker brach bei dem Unfall durch. Wer damit anschließend wie ich noch 180 km Rad fährt, ist entweder verrückt oder ein Ironman. Manche meinen sogar, es wäre dasselbe.
Was sind deine Ziele für die nächsten 20 Jahre?
Beruflich: Die Rente ist eben nicht sicher. Und wenn schon Arbeit bis ins siebte Lebensjahrzehnt droht, dann wenigstens ein erfülltes berufliches Leben mit vielen spannenden und lukrativen Fällen. Privat: Ein Stall voller Kinder – es wird langsam Zeit.
(Anm. der Red. Ich habe mir sagen lassen, dass es Paare** gibt, die sich beim Frankfurter Triathlon kennengelernt und auf Hawaii geheiratet haben. Es bleibt also offenbar noch genügend Zeit, sogar während eines Triathlons anzubandeln. 😉 )
Vielen Dank für das interessante Interview, Simon! 🙂
Allgemeine Infos zum Triathlon gibt es in meinem letzten Blogbeitrag: Triathlon – ein Sport für Verrückte?
Wer morgen Nachmittag Zeit hat und von Simon „angefixt“ wurde: Der Frauen-Triathlon startet um 16.00 MEZ in Rio.
** Das besagte Paar kommt aus dem selben „Stall“ wie Simon (Langener Haie) und kürt gerade die Titelseite des Magazins „Triathlon training“
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