Chi wird landläufig als Lebensenergie verstanden und erklärt. Doch das ist zu kurz gefasst. Mit westlichem Denken ist es ziemlich schwierig, Chi umfassend zu beschreiben, solange wir zwischen Materien und Energie unterscheiden. Den Chinesen ist dies fremd. Für sie erklärt sich Chi funktional durch sein Wirken. Es gibt also kein deutsches (oder englisches) Wort, das Chi (Qi) angemessen ausdrücken könnte.
Alles im Universum – organisch und anorganisch – ist aus Chi zusammengesetzt und durch sein Chi definiert. Man kann es sich als Materie an der Grenzlinie zur Energie oder als Energie am Punkt der Materialisierung vorstellen. (Wer in Physik gut aufgepasst hat, kann das vermutlich besser verstehen.)
Ursprung des Chi
Die Chinesen nennen drei Quellen des normalen Chi. (Normales Chi ist das „wahre“ Chi, bevor es mit bestimmten Funktionen im Körper in Verbindung gebracht wird.)
- Das Ursprungs-Chi oder auch Vorgeburtliches Chi wird von den Eltern auf das Kind übertragen und beinhaltet zum Teil die weitervererbte Konstitution. Es wird in den Nieren gespeichert.
- Das Nahrungs-Chi wird der verdauten Nahrung entzogen.
- Das Natürliche Luft-Chi tritt mit der eingeatmeten Luft in die Lunge ein.
Alle drei Chi-Formen vermischt produzieren das normale Chi, das den ganzen Körper bis in den kleinsten Winkel durchdringt. Es ist überall.
Funktionen des Chi
Ein Sinologe hat in der Literatur der letzten 2500 Jahre 32 verschiedene Kategorien gefunden und Chi mit elektrischen Energie verglichen. So wie im Westen Elektrizität mit hoher und niedriger Spannung und Stromstärke als Phänomen gilt, so ist für die Chinesen Chi ein Phänomen mit ihren vielen verschiedenen Aspekten und Funktionen. Zu den Funktionen:
1. Chi als Quelle aller Bewegung
Chi ist die Quelle aller Bewegungen und begleitet jede Bewegung. Dazu zählen alle Arten von Aktivitäten: physische (Laufen, Tanzen), automatische (Atmen, Herzschlag), absichtliche (Essen, Sprechen), geistige (Denken, Emotionen ausdrücken, Träumen) sowie allgemeine Wachstums- und Lebensprozesse (Geburt, Altern). Bei der Diagnose und Behandlung spricht man davon, dass mangelndes Chi aufgefüllt, ein Überschuss an Chi abgeleitet oder der Chi-Fluss reguliert wird. Chi ist ständig in Bewegung und tut dies in vier Hauptrichtungen: Aufsteigend, absteigend, kommend und gehend. Ein gesunder Körper hat ein harmonisches fliessendes Chi. Ist es blockiert oder bewegt sich rebellisch, gegenläufig oder unkontrolliert, kommt es zu Disharmonien und in der Folge zu Krankheiten.
2. Chi schützt
Chi dient als Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen. Es verhindert das Eindringen bzw. bekämpft sie, falls sie es doch schaffen. Wird also jemand krank, mangelt es an Chi.
3. Chi transformatiert
Nahrung wird in Blut, Tränen, Schweiß, Urin und neues Chi umgewandelt.
4. Chi hält alles in Ordnung
Chi sorgt dafür, dass alles an seinem Platz und in den richtigen Bahnen bleibt (Organe, Blut) und verhindert den übermäßigen Verlust von Körperflüssigkeiten, wie Schweiß, Speichel, etc.)
5. Chi wärmt
Chi reguliert die Temperatur im Körper, auch die der Extremitäten. (Viele Menschen mit kalten Händen oder Füßen berichten, dass nach dem Qigong diese wieder warm sind. )
Arten des Chi
Organ-Chi: Man nimmt an, dass jedes Organ sein eigenes Chi hat. Ein Herz- oder Lungen-Chi unterscheidet sich durch die Aktivität, die es verrichtet entsprechend der Funktion, die das Organ hat. Die Chi-Substanz bleibt die Gleiche. Man muss an der Stelle wissen, dass die Chinesen unter Organ nicht das physische Organ verstehen wie wir im Westen, sondern eine spezielle „Organ-Energie“.
Leitbahnen-Chi: Es gibt ein „eigenes“ Chi, das durch die Kanäle und Wege zwischen den Organen und Körperteilen fliesst und deren Aktivität reguliert und harmonisiert.
Nahrungs-Chi: Dieses Chi spielt eine wesentliche Rolle bei der Ernährung, da es die reinsten, aus der Nahrung gewonnenen Nährstoffe in Blut umwandelt. Es bewegt sich mit dem Blut in den Blutbahnen.
Abwehr-Chi: wehrt äußere schädliche Einflüsse und Angreifer ab. Es fließt im Brustkorb und der Bauchhöhle, zwischen der Haut und den Muskeln, reguliert Schweißdrüsen und Poren und ist für den Schutz von Haut und Haaren verantwortlich.
Atmungs-Chi: sammelt sich im Brustkorb und steuert Atmung, Herzschlag und Stimme.
Störungen des Chi (Disharmonien)
Chi-Mangel bedeutet zu wenig von einem der fünf o.g. Chi-Arten. Je nachdem welches Chi zu wenig vorhanden ist, kann es zu Problemen in dem Bereich kommen, z.B. ständige Erkältungen, wenn das Abwehr-Chi zu schwach ist.
Zusammengebrochenes Chi ist eine extremere Form von Chi-Mangel. Physisch kann dies eine Verschiebung von Organen (z.B. Gebärmuttervorfall oder Hämorrhoiden) sein oder auf nicht-materieller Ebene zu psychischen Problemen, wie tiefe Trauer, fehlende Motivation, etc. führen.
Stagnierendes Chi ist besser als Blockade bekannt. Das Chi fliesst nicht mehr gleichmäßig in Meridianen oder Gliedern. Dies kann sich durch Schmerzen oder ein schwaches Organ äußern. Das Chi der Lunge z.B. kann dann nicht richtig ein- und austreten, was zu Husten oder Atembeschwerden führt.
Gegenläufiges Chi ist eine Form des stagnierenden Chi. Normalerweise fliesst jedes der 12 Organ-Meridiane in eine bestimmte Richtung – aufwärts oder abwärts. Fliesst das Chi in einem Meridian in die falsche Richtung, „rebelliert“ es. Am deutlichsten wird dies beim Magen: Wenn es aufwärts statt abwärts fliesst kann dies zu Erbrechen und Übelkeit führen.
Alle Disharmoniemuster werden – wie alles in der Traditionellen Chinesischen Medizin -in Yin und Yang aufgeteilt. Chi-Mangel z.B. ist ein Yin-Zustand, stagnierendes Chi ist Yang mit entsprechender tiefergehender Bedeutung, Interpretation und Handlungsanweisung für den Behandler.
Wie Qigong das Chi beeinflusst
Mit dem besseren Verständnis der Chi-Arten und -funktionen kann man auch die Wirkung der (Wildgans-) Qigong-Übungen besser verstehen. Denn mit den Bewegungen, dem Hinauf- und Hinunterbefördern (Hand- und Armbewegungen), den Drehungen, der Akupressur und den Fußhaltungen (Ferse, Ballen) wird das richtige (Yin- oder Yang-) Chi an die entsprechenden Stellen bewegt, stagnierendes Chi wieder ins Fliessen gebracht, alles harmonisch in Fluss gehalten (auch die richtige Fliessrichtung), verbrauchtes Chi hinausbefördert und der Körper mit frischem aufgetankt (d.h. Chi-Mangel verhindert). Wildgans Qigong basiert auf der Traditionellen Chinesischen Medizin und behandelt den Körper im Einklang mit o.g. Philosophie.
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