Eigentlich wollte ich nur Gassi gehen – oder wie ich Licht und Schatten für mich neu entdeckte
So ein neuer Tag hat doch immer wieder was Schönes, Interessantes zu bieten. Man geht aus dem Haus, hat eine bestimmte Vorstellung oder Erwartung und kommt mit einem prall gefüllten Korb an Gedanken, Eindrücken und Erfahrungen zurück.
Dabei wollte ich eigentlich nur mit dem Hund Gassi gehen. In den Wald, da ist es schattig und kühl, da fließt ein Bach mit frischem Wasser und da gibt es Äste. Mit dem frischen Quellwasser möchte ich meine Edelsteine waschen und wieder zum Leuchten bringen. Die Äste will ich als Rankhilfe suchen, weil die prallen Früchte meiner drei Tomatensträucher bzw. deren Äste sich schon gefährlich gen Boden biegen, wie mir ein Blick aus dem Fenster heute morgen verriet. Es sollte ein Spaziergang mit vielen Lektionen und Aha-Momenten werden…
Heute ist der 1. Juli. Der Bauer hatte am Sonntag seine Felder gemäht und begonnen, das Gras für den Winter aufzurollen. Er ist nicht ganz fertig geworden, das restliche gemähte Gras tut das, was es kann: es trocknet derweil vor sich hin. Dabei duftet es nach Sommer, nach Natur, nach Leben. Ich genieße jeden Atemzug, jeden Anblick, freue mich über den Sommer, den ich über alles liebe, und versuche den Augenblick, den Geruch, das Gefühl festzuhalten. Bei diesem Gedanken schießt es mir schlagartig durch den Kopf: Festhalten? Wie soll das gehen? Die Natur lässt sich nicht festhalten, sie ist ständig im Wandel. Morgen ist ein neuer Tag, eine neue Szenerie, eine neue Aufgabe, Chance und Herausforderung. Was sich in diesem Moment meldet, denn es ist über 30 Jahrzehnten in meiner Zellerinnerung gespeichert, ist die Erinnerung an den frischen, an viele Urlaube und an die Jugend erinnernde Duft von der Erlebniswelt „Sommer“. Verbunden mit der Vorfreude auf den nächsten Sommer in der bosnischen Heimat. Damals.
Die Natur nimmt ihren Lauf, so wie Gott es vorgesehen hat. Sie will und kann gar nichts fest- oder anhalten. Sie zeigt uns tagein, jahraus, dass alles im Fluss ist und seinem natürlichen Rhythmus folgt, um im Gleichgewicht zu bleiben. Die Natur ist clever. Sie macht sich keine Gedanken, sie IST einfach und tut, was ansteht. Und prompt klappt alles. Ob sie auch darauf vertraut, dass sie von einer höheren Intelligenz geführt wird? Niemand käme auf die Idee, der Natur zu widersprechen, daran zu zweifeln, dass sie alles richtig macht. Aber nur wenige Menschen kommen auf die Idee, es ihr nachzumachen. Dabei sind wir auch (Teil der) Natur. Wir Menschen meinen, die Dinge besser zu wissen, uns aus dem natürlichen Fluss herausnehmen zu müssen. Dinge kontrollieren, beeinflussen, anders machen zu wollen. Der Natur unseren Willen aufzudrücken. Warum tut der Mensch so etwas? Ist er aus seiner Natur herausgefallen?
Meine neuen Erkenntnisse will ich festhalten und einem guten Freund simsen. (Ja, damals hieß es noch SMSen, da gab es noch kein Whatsapp.) Während ich dies tue, vergesse ich die Natur und den Rest um mich herum. Ich sehe nicht die Pflanzen am Wegesrand, höre nicht die Vögel und merke auch nicht, dass mein Hund vergeblich auf ein von mir geworfenes Stöckchen hofft. Hätte ich nicht auch später schreiben können? Oder aufs Leben bezogen: Können wir nicht Dinge später oder vielleicht gar nicht tun und stattdessen den einen Moment genießen und im Herzen bewahren? Wir knipsen wie verrückt zig Fotos und versäumen dabei, den so tollen Moment wirklich in seiner Einzigartigkeit und in seiner aktuellen Präsenz zu erfassen.
Als ich mit meiner SMS fertig bin und tief im Wald den Rückweg antrete, fallen mir meine Tomatensträucher ein. Schnell finde ich am Wegesrand drei geeignete Äste, etwas lang, aber besser zu lang als zu kurz, denke ich. Kaum erledigt sehe ich im nächsten Moment den Bach, in dem ich meine Steine baden wollte… Während ich Gedanken verloren das kalte Wasser durch meine Hände und die Steine fließen lasse, schweift mein Blick zu meinem Hund, den ich ein zweites Mal fast vergessen hatte. Anstatt ungeduldig auf mich zu warten, hat er sich eine Beschäftigung gesucht. Er gräbt voller Hingabe ein Loch ins Flussbett oder knabbert an herumliegenden Stöckchen. Er spürt wohl instinktiv, dass das, was Frauchen gerade tut, sein muss und seine Zeit braucht. Oder hat er sich bloß abgefunden? Hunde leben im aktuellen Moment. Das Leben bietet genug Möglichkeiten, sich sinnvoll oder mit Freude zu beschäftigen, bis es wieder ein Stück weiter bzw. vorangeht – und sei es nur mit Innehalten. Eine weitere Lektion, die mich die Natur und mein Hund heute gelehrt haben. Zur Belohnung werfe ich meiner nachsichtigen Fellnase ganz viele Stöckchen und Steinchen durch den Bach, bis ich vom aufspritzenden Wasser ziemlich nass und im kühlen Wald etwas verfroren meine am Wegesrand abgelegten Äste einsammle und schnurstracks auf eine kleine, sonnendurchflutete Stelle zusteuere in der Hoffnung auf Wärme und trocknende Kleider.
Das Universum scheint es heute ganz besonders gut mit mir zu meinen. Noch den vorigen Gedanken nachhängend, dass Geduld sich auszahlt, poppt schon die nächste Erkenntnis in meinem Hirn auf. So wie eine Mitteilung auf dem Bildschirm, dass eine neue Nachricht eingetroffen ist. Der Mensch kann sich aussuchen, wohin er geht: in die Sonne oder den Schatten. Beides ist immer da. Will ich lieber weiterfrieren (mich schlecht fühlen, jammern, etc.), bleibe ich im Schatten, hab ich’s gerne warm (angenehm, stärkend, konstruktiv, etc.) gehe ich in die Sonne. Man muss nur hinschauen und evtl. ein paar Schritte machen. Manchmal ist die Sonne nicht sofort sichtbar, man muss etwas länger laufen. Aber sie ist immer da, wenn man sie nur sehen und finden will! Das finde ich doch wieder eine gute Erkenntnis, die die Natur mich lehrt. Als ob wir das nicht alle irgendwie wüssten oder in guten Momenten spürten. Aber diese Lektion ist so spürbar, so offensichtlich. Das vergesse ich nicht wieder.
Gut aufgewärmt und zufrieden laufe ich mit meinen drei Ästen in der Hand und den wertvollen Erkenntnissen im Kopf weiter, bis die Äste so schwer werden, dass der Arm schmerzt. Toll, denke ich, hättest ja nicht so lange Äste nehmen müssen, und einer hätte auch erst einmal gereicht. Gehst doch jeden Tag in den Wald. Aber nein, der Mensch – ich – will ja effektiv sein. Und so lade ich mir manchmal mehr auf als nötig und fühle mich dabei noch besonders clever. Die Parallele zum Alltag checke ich sofort: Anstatt nur eine Aufgabe anzunehmen, schultere ich gleich drei, und wundere mich, dass alles so schwer ist. Jede einzelne für sich wäre ein leichtes, aber man will ja möglichst effektiv sein, Zeit sparen. Doch darüber sollte ich später noch ein bisschen genauer nachdenken… Am Waldesrand begegnen mir zwei weitere Hundebesitzer. Sofort werde ich auf meine Äste angesprochen und ich erkläre die Sache mit den Tomaten. Ob das denn besonders lang wachsende Sträucher seien, fragt mich der Mann mit Blick auf die überdimensional langen Äste. Da ist noch Potenzial zum Wachsen drin, antworte ich spontan, und finde im zweiten Moment meine Antwort sehr sinnbehaftet, während die beiden meinen Witz mit schallendem Lachen belohnen. Beim Weitergehen denke ich, wie dumm ich doch bin. Nicht nur, dass ich gleich drei Äste anstatt einem durch den Wald schleppe, nein es müssen auch besonders lange sein. Dabei hätten kürzere auch erst einmal gereicht. Es ist wie im echten Leben mit den täglichen Aufgaben. Oft würde weniger völlig reichen, man hätte weniger daran zu schleppen und könnte Kräfte sparen. Aber man will ja für alle Eventualitäten vorsorgen…. Kennst du das? Zumindest habe ich meine Armmuskulatur trainiert. Doch noch was Gutes, beruhige ich mein stures Ego fürs Erste.
Kurz vor der Haustür bricht mir ein Stück Ast ab. Alles klar, ich habe die Message verstanden. Beim Stabilisieren der Tomatensträucher stelle ich endgültig fest, dass alle drei Äste immer noch zu lang sind. Ich kürze also noch ein ganzes Stück, und werfe den Rest in den Grünabfall, den ich später natürlich wieder entsorgen muss. Sehr effektiv gedacht und gearbeitet habe ich da, stelle ich kopfschüttelnd fest. Manchmal ist weniger einfach mehr. Und man kommt sich hinterher nicht so doof vor, wo man doch besonders clever sein wollte.
Diese Geschichte habe ich vor ca. 15 Jahren selbst erlebt und aufgeschrieben. Ich finde sie in diesem Jahr 2020 passender denn je.
Snezana Galijas ist Self-Mastery Coach, zertifizierte Pranaheilerin, Mental Coach, Meditationsleiterin, Yogalehrerin, Medical Qigong-Coach und Kundalini-Beraterin in der Heilpraxis Sattler & Galijas in Seligenstadt/Kreis Offenbach. Ihr Spezialgebiet ist die energetische Psychologie und Celular Crystal Healing als fortgeschrittene Technik der Pranaheilung nach Grandmaster Choa Kok Sui, z.B. bei Sucht (Eifersucht/Übergewicht/Rauchen etc.), Ängsten, Traumata, Blockaden, „übernommene/vererbte“ Themen, etc.. Pranaheilung ist eine weltweit praktizierte, systematisch erforschte, reproduzierbare Methode zur Lenkung der Lebensenergie. Als Beraterin steht Snezana Galijas Menschen bei spirituellen Transformationsprozessen zur Seite. Als eine von wenigen Trainern in Deutschland unterrichtet sie das medizinische Wildgans (Dayan) Qigong zur Gesunderhaltung, zur Regeneration und (Selbst-)Heilung, zur Steigerung des eigenen Energielevels und zur Stärkung und Verfeinerung des Energiesystems. Sie praktiziert darüber hinaus Arhatic Yoga nach Choa Kok Sui.
Silke Bicker meint
Liebe Snezana,
herzlichen Dank für deinen Beitrag! Weniger ist oft mehr, vor allem, wenn dieses Weniger auch noch gut durchdacht ist. Eine Workshopteilnehmerin hatte einen eigenen Spruch auf den Lippen: „Erst denken, dann dübeln“. Wenn man besonders viel schaffen will, denkt man oft selten an beide Weisheiten.
Herzliche Grüße, Silke