Wie wir nun wissen (weil mehrmals geschrieben), zählt das Dayan (Wildgans / Wildgoose) Qigong-System zur taoistischen Kunlun-Philosophie. Als Erfinder gilt der Mönch Dao An (Geburtsname Wei), der als 12-jähriger Vollwaise nach seiner konfuzianischen Ausbildung in einen buddhistischen Tempel gekommen sein soll, um dort zu leben. Inspiriert von den Streifengänsen (vielleicht der robustesten aller Gänsearten (sie können bis zu 9000 Meter hoch fliegen), die das Kunlungebirge passierten, entwickelte er Wildgans Qigong.
Das ganze Dayan-System: über 70 Formen
Das ganze Dayan-System ist sehr umfassend und beinhaltet Methoden sowohl zur Heilung als auch zur Selbstverteidigung. Insgesamt soll es mehr als 70 Übungsformen geben, wobei das Herzstück Wildgans I und Wildgans II bildet. Darauf bauen die anderen Formen auf.
Das ganze System hat drei Hauptbereiche: Heilung, Kampfkunst und Meditation mit überlappenden Funktionalitäten. Es basiert auf der Traditionellen Chinesischen Medizin, also Yin und Yang, den acht Trigrammen (Bagua), den fünf Wandlungsphasen und dem I-Ching.
Die Philosophie im Wildgans Qigong
Die elementarste Grundidee der taoistischen und TCM-Philosophie ist, dass alles aus Energie besteht, und Energie immer nach Ausgleich und Harmonie sucht. Dies wird durch das komplementäre Konzept von Yin und Yang repräsentiert. Beim Wildgans Qigong – WG I (oder A) und WG II (B) – geht es in erster Linie um das harmonische Fließen der Energien durch den Körper. Bei dieser Harmonisierung hat jede der beiden Formen seinen eigenen Schwerpunkt. Wildgans I behandelt die postnatalen Beschwerden, Wildgans II die prenatalen. (Details zu den Unterschieden zwischen den beiden Formen in einem späteren Post.) Es geht also immer darum, das Qi, die Energie, im Körper auszubalancieren und so Harmonie herzustellen oder zu erhalten. Das ist das Konzept der taoistischen Philosophie: Harmonie im Außen und Innen im Einklang mit der Natur.
Wildgans Qigong in der Praxis
Die drei wichtigsten Bestandteile im traditionellen Qigong sind:
Atmung:
Beim Wildgans (Dayan) Qigong wird entspannt und normal geatmet. (Das ist der erste Unterschied zu anderen Qigongs, der diese Form genau deshalb für viele Menschen attraktiv macht.) Jeder atmet, wie es für ihn/sie stimmig ist, so dass es zu den fliessenden Bewegungen passt. Ausgenommen sind die Sequenzen, bei denen verbrauchtes Qi ausgestoßen wird. (Kräftiges Fersenaufsetzen, Arme stoßen).
2. Mentale Ausrichtung (Absicht)
Wie bei der Atmung ist das Gehirn entspannt und ausschließlich mit den einzelnen Bewegungen beschäftigt. Es gibt keine konkrete Visualisierung oder Manipulation des Qi-Flusses. (Das ist der zweite, wesentliche Unterschied zu anderen Qigongs, wo die konzentrierte Verfolgung und Leitung der Qi-Energie essenziell ist.) Konzentriere dich nur auf die Bewegungen und übe die ganze Sequenz sauber durch. Wenn du während der Übungen von Gedanken abgelenkt wirst, komm einfach mit deinem Fokus zurück zu den Bewegungen. Sei in einer positiven Grundstimmung, während du übst.
3. Haltung
Die einzelnen, fein aufeinander abgestimmten Körperhaltungen und -bewegungen im Wildgans Qigong ermöglichen die Harmonisierung und gleichmäßige Verteilung des Qi im ganzen Körper. Dies passiert durch das (faszinierend ausgeklügelte) Zusammenspiel zwischen Gliedmaßen und den Bewegungen der Gelenke. Jede Haltung beinhaltet eine spezielle Ausrichtung mit/zu den Qi-Energietoren (Akupunkturpunkten), die ineinander greifen und unterstützt werden von unserer „lebendigen Matrix“ , also Knochen, Gewebe und Organen, um das Qi im Körper zu stimulieren und zu harmonisieren.
Im nächsten Beitrag erkläre ich ein paar weiterführende Details zum Ablauf der Übungen.
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