Mein heutiger Interviewgast ist Ines Balcik. Wir kennen uns aus dem gemeinsamen Business-Netzwerk texttreff, da auch Ines beruflich mit Sprache zu tun. Sie ist Lektorin, sportlich sehr aktiv und betreibt u.A. eine außergewöhnliche Sportart. Auch die World Masters Games liegen schon hinter ihr. Sie ist für mich ein tolles Beispiel dafür, dass man auch im „fortgeschrittenen“ Alter durchstarten und sich für das 80. Lebensjahr ehrgeizige sportliche Ziele setzen kann.
Du bist sportlich sehr aktiv. War das schon immer so? Wie verlief deine „sportliche Laufbahn“?
Meine Brüder und ich sind als Kinder einer sportlichen Mutter mit vielen Sportarten aufgewachsen. Um Leistungssport ging es dabei nicht, Wettkämpfe gab es durchaus. Großen sportlichen Ehrgeiz und Trainingseifer hatte ich nie, am allerliebsten habe ich mich als Teenager hinter Büchern verschanzt. Punktspiele mit Tennisteams habe ich über viele Jahre gemacht, mit einer längeren Pause, als die eigenen Kinder klein waren.
Während meiner Studienzeit habe ich immer mal Anläufe zum Joggen genommen, aber regelmäßiges Laufen wurde nie daraus. Ich fand Laufen damals schrecklich langweilig. Geändert hat sich das erst mit Mitte 40, als ich – angeregt durch ein ganzheitliches Coaching für Körper, Geist und Seele – merkte, dass Laufen ein wunderbares Mittel ist, dem Alltagsstress zu entkommen und Lebensfreude wiederzufinden. (Und nebenbei ein paar Kilo abzunehmen. 🙂 )
Heute spielst du aktiv Tennis, läufst Wettkämpfe und dann hast du noch ein außergewöhnliches sportliches Hobby in der Türkei. Erzähl mal davon und wie es dazu kam.
Letztes Jahr bin ich in Istanbul meinen ersten Marathon gelaufen. Wettkämpfe in Istanbul – der Stadt auf zwei Kontinenten – reizen mich besonders, denn zu Istanbul habe ich eine besondere Beziehung, mehr dazu weiter unten. Die Idee, am interkontinentalen Bosporus-Schwimmen teilzunehmen, entstand bei meinem ersten längeren Lauf, einem 15-km-Lauf von Asien nach Europa – natürlich in Istanbul. 🙂
Was ist die größte Herausforderung beim Bosporus-Schwimmen und wurde es auch schon mal brenzlig?
Die größte Herausforderung dabei sind die starken Strömungen. Als wirklich gefährlich empfand ich das nicht bei meinen drei bisherigen Teilnahmen. Der Schiffsverkehr wird für die Zeit des Wettkampfs gestoppt, für Notfälle gibt es genügend Begleitboote, die den Schwimmern zu Hilfe kommen. Im schlimmsten Fall wäre ich irgendwo am Ufer gestrandet.
Am 30. August startest du beim Dardanellen-Schwimmen. Ist das nochmal ein besonderer Kick oder wo ist der Unterschied ? Beim Bosporusschwimmen schwimmt man in Istanbul von Asien nach Europa, beim Dardanellenschwimmen schwimmt man durch die Meerenge weiter westlich am Ausgang des Marmarameers von Europa nach Asien – wie einst Lord Byron. ;-)). Durch den Bosporus schwimme ich nicht jedes Jahr. Die Dardanellen sind eine neue Herausforderung. Die Strecke ist zwar mit ca. 4,5 km kürzer, aber anspruchsvoller.
Wie sieht dein Training aus und was tust du, um dich mental fit zu halten?
Tägliche Bewegung gehört zum Tagesablauf. Den Tag beginne ich mit einem Morgenprogramm, zu dem Kraft-, Dehn- und Yogaelemente gehören. Im Laufe des Tages kommt dann Laufen, Tennis oder Schwimmen dazu. Fürs Mentaltraining habe ich Audio-CDs, mit deren Hilfe ich entspanne. Qigong wäre eine gute Alternative.
Wie gehst du mit Stress und Lampenfieber um?
Stress verbinde ich als Freizeitsportlerin mit Wettkämpfen nicht. Für mich ist die Teilnahme Vergnügen. Lampenfieber vor dem Start gehört natürlich dazu, auch wenn ich nichts zu verlieren habe. Mentaltraining hilft, die Aufregung in die richtigen Bahnen zu lenken.
Wie ernährst du dich vor, zwischen und nach den Wettkämpfen?
Mir ist klar, dass das, was ich esse, mir Energie für den Sport liefern kann. Also versuche ich, auf halbwegs ausgewogene Ernährung mit viel Frischkost zu achten. Aber ich halte mich nicht an strikte Ernährungsvorschriften – Essen ist auch Genuss.
Nimmst du Nahrungsergänzungsmittel und wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
Viel halte ich nicht von Nahrungsergänzungsmitteln, weil ich nicht von ihrem Nutzen überzeugt bin und vermute, dass sie vor allem den Produzenten nützen. Trotzdem folge ich auch hier keiner strikten Linie und greife trotz meiner Skepsis gelegentlich zu Präparaten, z. B. mit Magnesium oder L-Carnitin.
Gibt es Lebensmittel, die du meidest?
Ich bin bei Lebensmitteln nicht empfindlich, von persönlichen Vorlieben und Abneigungen mal abgesehen. Unverträglichkeiten habe ich zum Glück nicht.
Was tust du, um dich vor einem Wettkampf in Stimmung zu bringen?
In Stimmung gebracht werde ich durch die Vorfreude auf den Wettkampf. Beim Laufen und Schwimmen sorgt das Lampenfieber für den nötigen Schwung am Start. Für ein Tennismatch spielt die Konzentration eine große Rolle. Mentaltraining hilft mir dabei, zumindest äußerlich ruhig und konzentriert in ein Match zu gehen.
Was tust du, um danach wieder runter zu kommen?
Dafür habe ich kein bestimmtes Ritual, die körperliche Erschöpfung reicht meist völlig für einen entspannten Tagesausklang. 🙂 Bei Tennisturnieren kann es passieren, dass die Erholungspausen kurz sind, weil unter Umständen zwei Matches an einem Tag gespielt werden müssen. Da ist es dann doch wichtig, sich in den Stunden dazwischen bewusst auszuruhen.
Wendest du (fernöstliche) Meditationstechniken an oder übst z.B. Yoga oder Qigong?
Das Konzept Entspannung durch bewusste Bewegungen finde ich gut, ausprobiert habe ich beides schon. Aber im Moment mag ich keiner Methode intensiv folgen, vielleicht ändert sich das in der Zukunft.
Wie hat dich der Sport persönlich geprägt?
Ich bin der Meinung, dass Sport mir zu mehr Zielstrebigkeit, Ausdauer, Fokussierung und Klarheit verhilft. Vor allem macht er mich glücklich! 🙂
Welche Eigenschaften/Erfahrungen aus dem Sport kannst du für deinen Beruf anwenden?
Sport betrachte ich immer auch als Übungsfeld für Beruf und Leben. Manchmal gelingt nicht alles auf Anhieb, ich muss auch mal Rückschläge und Niederlagen verkraften und mitunter einsehen, dass Umwege unvermeidlich sind. Aber es gibt immer einen Weg, der weiterführt, und sehr kleine Schritte führen auch voran.
Du sprichst u.A. Arabisch und betreibst das interkulturelle Magazin Kandil. Wie ist die Idee dazu entstanden, und für wen ist es gedacht?
Weiter oben schrieb ich bereits, dass Istanbul, die Metropole zwischen Orient und Okzident, eine besondere Stadt für mich ist. Dort ist nämlich mein Mann geboren und aufgewachsen, dort leben viele unserer Verwandten. Unsere Kinder sind also in einer interkulturellen Familie groß geworden, aber nicht nur sie haben viel Informationsbedarf über kulturgeschichtliche Hintergründe der Türkei und arabisch-islamischer Länder. Mit kandil.de möchte ich Brücken bauen – für mich und meine Kinder ebenso wie für andere interkulturelle Familien.
Was sind deine Ziele für die nächsten 20 Jahre?
Mein Mann und ich arbeiten gerade daran, in der Work-Life-Balance dem Leben mehr Raum zu geben. 🙂 Mein Fernziel liegt in 24 Jahren: Dann werde ich 80 und möchte den New-York-Marathon laufen. 🙂
Wie sieht deine Vorstellung zum Thema Altern/dem Alter aus?
Ich bin mit 55 Jahren längst mittendrin in dem Prozess. Abnutzungserscheinungen sind unvermeidlich, Ruhepausen und Entspannung werden wichtiger. Um mein sportliches Fernziel erreichen zu können, versuche ich, auf die Signale meines Körpers zu achten und seine Selbstheilungskräfte zu stärken. So schnell wie als 20-Jährige werde ich nie mehr laufen, aber aktiv bleiben möchte ich noch möglichst lange. Trainieren kann man in jedem Lebensalter.
Vielen Dank für das Interview, liebe Ines. 🙂
Ines hat auch meine Qigong-DVD getestet und auf ihrem Tennisblog darüber einen Bericht geschrieben.
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