Willkommen bei meiner neuen Blogreihe rund um Sport, Gesundheit, Ernährung und gesunde Lebensführung!
Ziel ist es zu informieren, wie sich ehemalige und noch aktive Berufs-, Leistungs- und Profisportler gesund und fit halten, einen Blick hinter die (Trainingsalltags-)Kulissen zu werfen, für die spezifischen Anforderungen an Körper und Geist zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wie diese „Extrem“-Sportler mit Herausforderungen umgehen und was wir letztlich daraus für uns selbst anwenden wollen.
Es geht aber auch um Menschen, die in einem anderen Beruf ihren Mann/Frau stehen müssen und Sport als feste Größe in ihr (Berufs-)Leben integriert haben und davon profitieren.
Auf das heutige Interview habe ich mich schon sehr gefreut. Mein Interviewgast ist der noch aktive schwedische Nationaltorwart Mattias Andersson. Ich kenne Mattias seit 2008 aus meiner Zeit beim (leider! ehemaligen!) Handball-Erstligisten TV Grosswallstadt. Ich war damals Mitglied der Redaktionsleitung und habe in dieser Funktion viele Interviews mit Spielern, Offiziellen und VIPs geführt, darunter auch mit dem Schweden. Mattias war 2008 von Kiel nach Großwallstadt gewechselt, wo er bis 2011 seine Pfosten sauber hielt. Die Liste seiner Auszeichnungen ist lang. Hier nur ein Auszug: Von 2009/2010 bis 2013/2014 war er durchgehend der Torwart mit den meisten Paraden in der deutschen Bundesliga. Er wurde 2011/2012 und 2012/2013 von (Handball) Managern und Trainern als der beste Torwart und zweitbeste Bundesligaspieler ausgezeichnet, usw. Ich habe Mattias als außerordentlich ehrgeizig und professionell erlebt, sowohl vor als auch hinter den Kulissen. Ich freue mich deshalb sehr, dass er sich Zeit für dieses Interview genommen hat:
Mattias, Du spielst Handball seitdem du 6 Jahre alt bist. Profihandballer bist du seit 1996, zunächst in der 1. Mannschaft bei Ystads IF. 2001 bist du für vier Monate nach Barcelona gewechselt, im selben Sommer zum THW Kiel, wo du 7 Jahre gespielt hast. Es folgten drei Jahre beim TVG und seit 2011 spielst du bei der SG Flensburg, die derzeit auf Platz 3 der Tabelle stehen. Dein Vertrag läuft bis 2017.
Wie viele Stunden trainierst du täglich, und um welche Art von Training handelt es sich?
Das ist sehr unterschiedlich. Es kommt darauf an, wieviele Spiele und Auswärtsspiele wir in der Woche haben. Es kann sein, dass wir in einer Woche 8-9mal trainieren, in anderen Wochen nur 3x, z.B. wenn wir pro Woche drei Spiele haben. Während der Vorbereitung ist das anders. Im Trainingslager (10 Tage), während der Vorbereitung, trainieren wir 3x/Tag: vor dem Frühstück 30 Min. Laufen zum Wachwerden, dann Vormittags: Intervall- oder Krafttraining, am frühen Abend 2 Std. Handballtraining in der Halle. Für den Rest der Vorbereitung trainieren wir 2x/Tag, je zweimal pro Woche Ausdauer auf dem Sportplatz und Kraft im Fitnessstudio. Während der Saison haben wir während des Spielbetriebs kaum Zeit für Ausdauer. Schnelligkeitstraining wird viel direkt in der Halle gemacht.
Du gehörst mit 37 zu den ältesten Spielern. Was tust du neben dem technischen Training, um dich körperlich und mental fit zu halten?
Wenn es zeitlich mit dem Spielplan passt, mache ich Vormittags zusätzlich ein spezielles Torwart- oder Krafttraining. Einmal in der Woche telefoniere ich mit meinem schwedischen Mentaltrainer, um akute Probleme, aber auch langfristige Ziele zu besprechen. Er war auch Handballer bzw. als (Co-)Trainer aktiv und arbeitet als Mentaltrainer an einer schwedischen Hochschule, wo er auch Sportler anderer Disziplinen betreut.
Kannst du ein Beispiel für akute und langfristige Ziele nennen?
Wie man hochkommt, wenn es aktuell nicht gut läuft z.B. aber auch, wie man wieder runterkommt, wenn es super läuft. Bei den langfristigen Ziele geht es um Selbstvertrauen, Sicherheit im Verhalten/Umgang oder um Entspannung.
Wie gehst du mit Stress und Lampenfieber um?
Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Eine gewisse Nervosität und Anspannung ist natürlich vor jedem Spiel da. Das ist auch richtig und gewollt, damit die richtige Anspannung da ist. Ich habe eine Reihe von Entspannungsübungen zur Muskelentspannung, aber auch zum geistigen Abschalten von einem früheren schwedischen Mentaltrainer gelernt, als ich damals Bandscheibenprobleme hatte. Mittlerweile habe ich gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Oft macht man sich den Stress auch selbst.
Wie gehen deine Kollegen mit Stress um, und gibt es Angebote seitens des Vereins?
Sehr individuell. Einer macht z.B. gerade eine Ausbildung zum Mentalcoach. Andere werden erst gar nicht nervös und wieder andere sehr. Aber eigentlich ist das ein Tabu-Thema, worüber kaum geredet wird. Ab und zu kommt ein junger Spieler und fragt um Rat. Der Verein bietet Angebote und Hilfe, wenn der Spieler danach fragt.
Studien belegen, dass viele Profisportler unter Depressionen (9,3 %), Burnout (11,4 %) und Leistungsdruck (88,6 %) leiden. Wie hat sich das Thema aus deiner Sicht im Handball entwickelt?
Über mentale Probleme zu sprechen ist wie gesagt ein Tabu-Thema und erfordert Vertrauen. Das muss erst aufgebaut werden. Das erreicht man nicht, wenn einmal ein Psychologe vorbeikommt. Ich denke, heute wird ein bisschen mehr darüber gesprochen als dies früher der Fall war. Aber im Handball spielt das m.E. alles keine so große Rolle, wie z.B. im Fussball, wo der Druck viel höher ist als beim Handball.
Wie ernährst du dich vor, zwischen und nach den Wettkämpfen?
Ganz normal und von allem etwas: Fleisch, zweimal die Woche Fisch und einmal vegetarisch z.B. Vor dem Sport esse ich Nudeln wegen der Kohlehydrate. Auch etwas abhängig vom Spielplan. Am Spieltag selbst esse ich kein Gemüse, weil es schwer verdaulich sein soll. Während des Spiels trinke ich Wasser und esse manchmal etwas Traubenzucker. Nach dem Spiel esse ich wieder ganz normal. Wichtig ist, dass man schnell nach dem Spiel etwas isst, weil die Muskeln dann schneller regenerieren. So bekommen wir unsere warme Mahlzeit bei Heimspielen direkt in die Kabine. Iso-Getränke gibt es direkt nach dem Spiel. Ich denke, bei Individual-Sportarten ist es viel wichtiger, auf die richtige Ernährung zu achten.
Bekommt man als Profihandballer im Verein eine Schulung in Sachen gesunder Ernährung?
Es gibt ein Angebot zur Ernährungsberatung im Verein, wer das möchte. Ich hatte das damals im schwedischen olympischen Verband gemacht.
Gibt es Lebensmittel, die du meidest und wenn ja, warum?
Brokkoli und Blumenkohl, weil ich es nicht mag.
Nimmst du Nahrungsergänzungsmittel ?
Im Winter nehme ich ein paar zusätzliche Vitamine, besonders B-Vitamine und Mineralien. Alle dopinggetestet.:-) Wobei Doping im Handball keinen Sinn macht, weil man von allem etwas braucht: Schnelligkeit, Ausdauer, Kraft, Spielverständnis, Werfen, Abwehr. Ich denke, wenn man sich als Handballer ausgewogen ernährt, braucht man keine zusätzlichen Mittel.
Was tust du, um dich vor einem Wettkampf in Stimmung zu bringen?
Mittlerweile – als einer der Ältesten – gehe ich relativ routiniert ins Spiel. Ich denke, als Handballer muss man nicht viel tun, weil die Spiele in der Regel gut besucht sind und die Stimmung in der Halle gut ist. Das hilft natürlich.
Was tust du, um nach dem Spiel wieder runter zu kommen?
Das ist oft ein Problem, besonders wenn man viele Spiele hat. Man versucht zwar beim Auszulaufen, Dehnen und der Physio-Behandlung runterzukommen. Aber wenn die Spiele erst um 20.15 Spiel beginnen, ist es fast unmöglich vor 1 oder 2 Uhr Nachts einzuschlafen. Das Adrenalin ist einfach zu hoch und die Gedanken schwirren im Kopf herum. Ich hätte da gerne ein besseres Rezept, aber körperliche und mentale Anspannung abzubauen braucht einfach seine Zeit.
Was sind typische Verletzungen beim Handball?
Kreuzbandriss, Schulter- und Sprunggelenkverletzungen, Knie. Beim Towart ist es oft der Rücken, die Fußgelenke und Finger.
Was tust du konkret zur Vorbeugung gegen Verletzungen?
Bei den Fingern ist es schwierig. Die werden meist während des Spiels getaped. Für die Füße mache ich Stabilitätstraining und auch für die Knie. Dazu Kräftigungsübungen für die seitliche Muskulatur, z.B. für den Ausfallschritt. Für meinen Rücken habe ich ein spezielles Reha-Training. Ds ist eine Kombination aus Kräftigung, Entspannung und Stabilität.
Wendest du Meditations- oder Entspannungstechniken an, z.B. Yoga oder Qigong?
Yoga habe ich schon unter Anleitung probiert, z.B. während der Olympia-Vorbereitung. Ich würde es gerne häufiger machen, weil es gut zur Entspannung und Kräftigung der Muskulatur ist. Aber das ist ein zeitliches Problem. Es gibt so viele Angebote, und wir bekommen ständig neue Reha-Übungen gezeigt. Wenn ich jede Übungen machen würde, würde ich den ganzen Tag nichts anderes tun.
Wie hat dich der Sport persönlich geprägt? Welche Eigenschaften/Erfahrungen aus dem Sport willst/wirst du für deinen zukünftigen Beruf anwenden?
Also, ich kenne mich ja nur als Sportler. 🙂 Denn Handball war schon immer ein großer Teil meines Lebens. Was man lernt, ist die Arbeit im Team, wie man ein Team aufbaut und dass es trotzdem eine Eigenverantworung gibt, d.h. man muss seinen Beitrag zum Erfolg leisten. Außerdem lernt man mit Stress und Druck umzugehen. Als Sportler bringt man einen gewissen Ehrgeiz. Man will immer mehr erreichen und immer besser werden.
Dazu passt auch dein Motto: „The one who stops improving, stops being great“. Was sind deine beruflichen und privaten Ziele für die nächsten 10 Jahre?
Ich will noch 1-2 Jahre Handball spielen. Was danach kommt, steht noch in den Sternen. Wir haben ein Grundstück in Schweden gekauft und wollen dort in Zukunft leben. Ich möchte gerne beim Handball bleiben und als TW-Trainer o.ä. arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für dich!
Mattias lebt mit seiner Frau Anna, die als freie Journalistin für die schwedische Zeitung Aftonbladet arbeitet und über Formel-Eins schreibt, sowie den beiden Kindern, Elis 9 und Livia 6 in Flensburg. Beide Kinder spielen Handball. Mal sehen, ob einer von beiden in Papas Fußstapfen tritt und die Familientradition fortsetzt. Schließlich war Mattias‘ Vater auch Handballer und Torwart. Tja, der Ball fällt eben nicht weit vom Pfosten, oder so.. 🙂
Mattias‘ offizielle Website: http://mattiasandersson.se
Fotos von: Ingrid Anderson-Jensen, www.nordlyset-fotografie.com Ingrid ist begeisterter Handball-Fan und nebenberuflich Fotografin. Sie arbeitet hauptberuflich bei einem u.s.-amerikanischen Konzern und tourt in ihrer Freizeit u.A mit der SG Flensburg durch die Lande oder macht andere tolle Fotos, wie z.B. dieses hier von der Mitternachtssonne. Danke für die Zurverfügungstellung der Fotos, Ingrid! 🙂
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Was hat dich/dir am meisten an diesem Interview mit Mattias beeindruckt/überrascht/gefallen? Ich freue mich über deinen Kommentar! 🙂
Wildgans Qigong ist optimal für Sportler, Manager, Führungskräfte und (geistig) Anspruchsvolle, weil ich hier aus eigener Erfahrung als ehemalige Sportlerin und Unternehmerin die meisten Vorteile und Synergieeffekte sehe.
In Kürze geht es weiter mit dem nächsten Interview, diesmal mit einer ehemaligen, aber international sehr, sehr erfolgreichen Sportlerpersönlichkeit.
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