Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse zum Thema Spiritualität, Energiearbeit, Meditation etc. interessieren mich sehr, weil sie rational orientierten, wissenschaftlich denkenden Menschen den Zugang zur Meditation ermöglichen können. Deshalb hat mich das Buch von Heinz Hilbrecht sofort angesprochen. Ich möchte mit der folgenden Rezension etwas detaillierter darauf eingehen.
Der Diplom-Geologe und Doktor in Naturwissenschaften Hilbrecht meditiert seit über 30 Jahren. In seinem Buch schlägt er die Brücke von den alten Traditionen der Meditation zur modernen Hirnforschung. Aus eigenen Erfahrungen schöpfend beantwortet er folgende Fragen:
— Wie kann Meditation unbewusste Hirnfunktionen bewusst machen?
— Was passiert in unserem Gehirn, wenn Qi oder Kundalini fließen?
— Weshalb macht uns Achtsamkeitsmeditation zu empathischeren Menschen?
— Welche Hintergründe haben Gedankenlesen, Seelenwanderungen und Nahtod-Erfahrungen bei Meditierenden?
Zur Umschlagsabbildung:
Eine Forschergruppe der Uni Gießen (www.bion.de) hat durch Untersuchungen mit Kernspin-Tomographie eine Struktur im Gehirn von Meditierenden entdeckt, die mit fortschreitender Praxis immer deutlicher wird. An genau dieser Stelle liegt das „dritte Auge“, das seit 2.500 Jahren auch auf buddhistischen Darstellungen erscheint. Die alten Beschreibungen decken sich mit den Ergebnissen der Forschung.
„Okkultes“ ist heute messbar
Seit über 2 500 Jahren – so heißt es im Cover – meditieren Menschen und erleben die verblüffenden Wirkungen der Meditation auf Gehirnleistungen, den Abbau von Stress oder Ängsten und die Entwicklung der Persönlichkeit. Oft scheint Meditation geradezu Übersinnliches zu leisten. Mittlerweile sind viele dieser Phänomene durch die aktuellen neurowissenschaftlichen Methoden nachvollziehbar und können immer besser verstanden werden.
Was seit alters her von Meistern detailliert beschrieben wird, wurde oft genug als okkult abgetan. Heute sind die Ergebnisse im Gehirn messbar und nachvollziehbar.
Emotionen sind messbar
In seiner Einleitung erklärt uns der Autor in Kürze, was das Gehirn ist und woraus es besteht, z.B. dass Emotionen wie Liebe, Hass, Glück und Schmerz elektrische und biologische Prozesse sind und einer ständigen Veränderung unterliegen. Die meisten Prozesse bleiben dabei im Unterbewusstsein und laufen automatisch ab. Entscheidungen werden im Gehirn getroffen noch lange bevor sie ins Bewusstsein kommen. Das zeigen Versuche von Benjamin Libet vor 30 Jahren, die in modernen Experimenten bestätigt werden.
Die Erfahrung von Meditierenden dagegen lässt folgendes vermuten: Der Mensch hat jede Freiheit, das Bewusstsein zu entwickeln und zu trainieren.
In Indien und China seit 2500 Jahren bekannt
Lange genug Zeit hatten die Menschen. Man geht davon aus, dass es schon vor dem Buddhismus und dem chinesischen Daoismus hoch entwickelte geistige Übungen gab. Schon vor 2500 gab es eine riesige Palette an Techniken und Formen der Meditation, die indische Meister entwickelt hatten. China dürfte etwa zeitgleich mit Indien (vor 2600 Jahren) Geistesübungen „entwickelt“ haben, wie Schriften von Lao Tse, dem Begründer des Daoismus im 6. Jahrhundert vor Chr. zeigen. Beide Philosophien – die indische und chinesische – kannten physische Erkrankungen und die Auswirkungen seelischer Probleme auf den Körper.
Hilbrecht geht näher auf die geschichtliche Entwicklung ein, die bis zu den antiken Griechen und Römern geht und den Bogen zum modernen Europa spannt. Damals schon wurde Meditation zur Behandlung von (Geistes-)Krankheiten eingesetzt. Geistige Übungen sind in allen Kulturen auf allen Kontinenten bis heute erhalten geblieben. Selbst von Jesus wird berichtet, der sich für 40 Tage in die Wüste zurückzog. (Leider aber auch von Hitler…)
Meditation als interessantes Forschungsthema
Meditierende sind ein spannendes „Forschungsobjekt“, weil sie Dinge können, die manchmal „unmöglich“ erscheinen. Die Forschung ist schwierig, weil Persönlichkeit, Stressfaktoren und selbst der Einfluss der Wissenschaftler eine Rolle spielen. So wird zwischen „guter“ und „schlechter“ Wissenschaft unterschieden, denn selbst Wissenschaftler verlassen manchmal das Feld der überprüfbaren wissenschaftlichen Kriterien. „Die Spekulationen seriöser Wissenschafler zielen auf Messungen und objektive Beobachtungen, sie werfen Fragen auf und sind damit Treibstoff für den Fortschritt.“
Da fällt mir spontan ein Zitat des Physikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg (1901-1976), einem der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts ein:
„Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“
(Aber bis dahin ist der Weg beschwerlich…)
Die Stufen der Meditation
Der Weg der Meditierenden wird seit mindestens 2500 Jahren genau verfolgt und aufgearbeitet. Neun Stufen soll es geben (manche Meister nennen nur drei), wobei die ersten vier noch als körperlich empfunden werden und im Bereich des „Wissens“ sind. Die Stufen fünf bis acht sind Entwicklungs- und Erkenntnisstufen. Die 9. Stufe ist die Erleuchtung. Die 10. Stufe wird mit dem Tod erreicht und liegt damit außerhalb der Wissenschaft.
Die 10 Stufen werden im Buch erläutert.
Gefühle und Denken
Auch das unbewusste und intuitive Denken wird beschrieben ebenso wie die Verarbeitung von Gefühlen. Das intuitive Denken kann der Mensch mittels Meditation ins Bewusstsein heben und sich damit eine überraschend große Welt erschließen, z.B. mit Einsichten, Ideen und komplizierten Entscheidungen, die ihm glasklar „aus dem Bauch“ erscheinen, aber rational oft nicht erklärbar sind. „Etwas muss sich richtig anfühlen“ hört man oft.
Weitere Punkte ist die große Leere und das dritte Auge sowie die Frage, ob es einen freien Willen gibt.
Mit geistigen Phänomenen umgehen
Meditierende begegnen einer Menge körperlicher und geistiger Phänomene. Dazu zählt die geheimnisvolle Kraft Qi (Chinesisch) oder Kundalini (Indisch), die der Autor etwas näher beschreibt. (Meiner persönlichen Meinung und Erfahrung nach entspricht der Begriff Chi dem indischen „Prana“ und hat eine andere Qualität und Funktion als die Kundalini.) So erzeugt die „erwachende Kundalini“ beim Meditierenden temporär – also während der Meditation – „spektakuläre“, übernatürliche Erscheinungen, die den Glauben an die naturwissenschaftliche Welt erschüttern können.“
Wissenschaftliche Erklärung der Kundalini
Beim „hochspirituellen“ Kundalini-Syndrom hingegen (dies entspricht einer aktiven Kundalini und geschieht nach meiner Erfahrung auch außerhalb des Meditationsprozesses im normalen Alltag) gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher physischer, sensorischer und vor allem emotionaler/psychischer Symptome, die u.A. von Bonnie Greenwell (1998), aber auch von anderen Autoren beschrieben wurden. Was bei diesen körperlichen und psychologischen Phänomenen passiert, beschreibt Heinz Hilbert aus wissenschaftlicher Sicht ausführlich. So ist eine Ursache die erhöhte Produktion von Dopamin und Noradrenalin im Gehirn, die verstärkte Durchblutung und andere physiologischen Prozesse, auch die der Muskulatur.
Interessant seine Erläuterung, dass die Traditionelle Chinesische Medizin die erwachte Kundalini mit den teils heftigen Symptomen als nicht erstrebenswerten „Kunstfehler“ bezeichnet. (Ich kenne auch keinen eigenen Begriff dafür.) Extreme Praktiken werden hier abgelehnt, der Mensch soll sich Schritt für Schritt entwickeln. Wohingegen die indische Philosophie z.B. mit dem Kundalini-Yoga bzw. bestimmten Atemtechniken den Kundalini-Aufstieg sogar aktiv unterstützt.
Aus meiner Erfahrung kann ich dies bestätigen, denn Qigong fokussiert m.E. vornehmlich die Pflege und Erhaltung der Gesundheit und den Energieausgleich, also der Harmonisierung des Körpers im „medizinischen“ Sinne und nicht die spirituelle Erleuchtung. Von spirituellen Krisen lese ich (bisher) nur aus indischen Schriften. Wohlgleich können sie mit Qigong natürlich auch stattfinden, denn das universelle Ziel ist bei allen Philosophien letztlich das selbe.
Das Kapitel „Alte Weisheit – moderne Wissenschaft“ schließt mit dem Thema Nahtod-Erlebnisse, was auf 12 Seiten beschrieben wird.
Mögliche Gefahren für Meditierende
Dieses Kapitel gefällt mir sehr gut und ist unbedingt lesenswert. Auf 16 Seiten beschreibt der Autor die möglichen Gefahren und erklärt u.A., welche Techniken zur Meditation – also zur „aktiven Umgestaltung des Gehirn und des ganzen Körpers“ – zählen: Yoga, Qigong oder Tai Chi. (Hier werden wohl diejenigen überrascht sein, die Meditation vornehmlich mit Sitzen und Insichgehen verbinden.)
So sei da Ziel „die positive Veränderung von Körper und Geist. Meditation ist eine „Individualsportart“, bei der Technik und Verlauf der Meditation sich nach dem Fortschritt des Schülers richtet. Dabei sind auch Trainingsfehler und Sportverletzungen möglich.“ Gemeint sind die seelischen Verletzungen, Verirrungen (von Hitler weiß man, dass er meditiert hat) und der falsche Umgang mit Krankheiten. Nicht umsonst gibt es umfangreiche Literatur zum Thema „spirituelle Krisen“. (Demnächst mehr davon hier in einem anderen Beitrag).
Auch vor falschen bzw. schlecht ausgebildeten Meditationslehrern wird gewarnt, die Techniken wild mischen, neugierig experimentieren und die Macht der Übungen nur unzureichend kennen, u.A. weil sie sie persönlich nicht er- bzw durchlebt haben. Ungeduld und übertriebener Ehrgeiz sind für Schüler sicher schlechte Motivatoren. Der häufige Satz von asiatischen Lehrern „Du bist noch nicht so weit.“ hat seine Berechtigung und sollte nicht umgangen werden, indem der Schüler sich einfach einen neuen Lehrer sucht.
„Meditation ist keine Technik für kurze Ausflüge in die Seele.“
Schließlich kann man bewusst Kontrolle über eigentlich unbewusst gesteuerte Abläufe im Körper gewinnen, also das eigentlich „Unmögliche“ erreichen. Allerdings gehört dazu weit mehr als die „reine“ Meditation: ein gesunder Lebensstil, zu dem die meisten modernen Menschen im Westen in dieser Konsequenz kaum bereit sein werden. So wird von Vielen die Meditation als Flucht vor dem Alltag, vor (seelischen) Schmerzen und ungelösten Problemen genutzt. Eine Krankheit gilt eben nicht als geheilt, wenn die „Droge“ nur die Symptome unterdrückt.
„Meditation hat die schöne Eigenschaft, jedem zu geben, was er braucht.“
Das ist seit Langem mein Lieblingssatz beim Qigong, nun finde ich ihn hier. 🙂 „Was das ist, entscheiden Gehirn und Körper selbst, wenn es der Meditierende zulässt.“ DAS ist der Unterschied. Nicht ICH entscheide, was ICH WILL, sondern, meine höhere Intelligenz. Eine grundsätzliche Erfahrung aus den alten Traditionen lautet deshalb: „Was ich losgelassen habe und wonach ich nicht mehr strebe, das fällt mir in den Schoß. Was ich festhalten will und was ich mit Begierde suche, das verschwindet in weite Ferne.“ Nicht umsonst ist eine Errungenschaft der Meditation die Gelassenheit. 🙂
Weitere Unterüberschriften in diesem Kapitel sind:
Lehrer und Schüler: „Der asiatische Meister ist für seinen Schüler auch ein Vater, Geistlicher und Psychotherapeut und übernimmt Verantwortung.“
Drogen, seit 2500 Jahren überholt: „Diese „Bewusstseinserweiterung“ blockiert die Hirnleistung und wird abgelehnt. Auch Alkohol zählt dazu.
Umgang mit dem Unbewussten: „Raum und Zeit für Ruhe und Sicherheit schaffen. Geduld haben.“
Geführte Meditation und Suggestion: „Die eigenen Schutzmechanismen werden damit ganz bewusst beseitigt.“
Regeln für den Selbstschutz: „Barmherzigkeit und Liebe zu sich selbst.“
Meditation und Gesundheit
Dieses Kapitel beschreibt die Rolle der Ärzte in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Krankheiten wurden als Störungen des natürlichen Gleichgewichts betrachtet. Der Mensch wird betrachtet als Einheit in sich selbst, mit seiner Umwelt, mit anderen Menschen und den Kräften der Natur. Es gilt eine (wörtlich!) natürliche Ordnung herzustellen. Feng-Shui basiert auch auf diesem Prinzip des Chi, des Yin und Yang als ausgleichende Kräfte.
Meditation wurde dem Patienten „verordnet“
Qigong zählt zu den vier Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin. So war früher der Arzt auch Meditationslehrer, der selbst – teilweise zwischen den Behandlungen – meditierte, also Qigong übte. Er konnte so intuitiv „in die Haut des Patienten“ schlüpfen, also den fremden Körper im eigenen wahrnehmen und sehen, welche Leiden und Probleme vorhanden waren. Und er konnte mit Qigong-Meditation sein eigenes Energieniveau erhöhen, z.B. für eine energetische Qi-Behandlung bzw. -Übertragung.
Nicht zuletzt brauchte er die Meditation bzw. Qigong, um sich selbst von diesen Eindrücken und Energien zu reinigen, zu sich selbst zurückzufinden und damit persönlich keinen Schaden zu nehmen.
Meditation überraschend wirksam bei Stress
Moderne Meditationsprogramme, wie z.B. das vom amerikanischen Arzt Jon Kabat-Zinn entwickelte MBSR-Achtsamkeitstraining war sehr wirksam bei der Stressminderung. Zahlreiche Untersuchungen über Meditation belegen, dass die Stressantwort sich schon nach einigen Wochen täglicher Übung deutlich verbessert. (Hölzel et al. 2009; Kabat-Zinn 2009; Greeson 2009.) Der Autor erwähnt an der Stelle einige Krankheiten, wie z.B. Rückenschmerzen, Arthritis, Diabetes Typ 2, chronische Krankheiten, Schmerzen, Infektionskrankheiten, und einige mehr.
So beginnen Menschen besonders in China oft erst im (Renten-)Alter mit Meditation zur Gesunderhaltung bzw. -rückgewinnung.
Die Praxis der Meditation
Dieses Kapitel behandelt auf gut 18 Seiten folgende Themen:
— Verwurzeln zwischen Himmel und Erde
— Den Atem lenken
— Gedanken beruhigen
— Entspannung
— Leben in jedem Atemzug
Die Versorgung des Gehirns
In diesem Kapitel spricht der Autor über das m.E. wichtige Thema Ernährung, das nach der taoistischen Philosophie bzw. TCM ein wichtiger Bestandteil der „gesunden Lebensführung“ ist und der Wunsch danach sich bei regelmäßiger Meditation „automatisch“ einstellt. Auf 14 Seiten geht es um:
— Intuitive Ernährung
— Einkaufen als Meditation
— Bestandteile der Nahrung
— Asien und Europa
Ein umfangreiches Literaturverzeichnis inkl. Adressen im Internet und Hilfe bei spirituellen Krisen bietet ausreichend Inspiriration für weitere Lektüre und Beschäftigung. Da kann der Fernseher für lange Zeit ausbleiben! 🙂 🙂
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Siehe auch diesen Beitrag der aus der Serie „Die Sache mit dem Chi“: Wie Gefühle und Gedanken unser Qi verändern.
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